Maibrauchtum in der Eifel


von Sophie Lange
In: Eifel Jahrbuch 1993, Seite 49 - 55


Der Tag des 1. Mai ist durch vielfältiges Brauchtum gekennzeichnet. Obwohl die Brauchtumshandlungen in den einzelnen Regionen und Ortschaften unterschiedlich sind, lassen sich überall Gemeinsamkeiten feststellen. Verbindungen zu frühgeschichtlichen Frühlingsfesten werden erkennbar. Maifeuer, Maibäume, Maitänze und Mailehen gehören zu den alten Überlieferungen.
Die Maifeuer erinnern an die Kelten, die sich seit dem 6. vorchristlichen Jahrhundert in Mittel- und Nordeuropa ausbreiteten. Viermal im Jahr feierten sie ein großes Fest: Am 1. Februar, 1. Mai, 1. August und am 1. November. Das Frühlingsfest am 1. Mai wurde „Beltane“ bezeichnet: Glänzendes Feuer. Das Frühlingsfeuer sollte die letzten Winterdämonen und alle bösen Geister vertreiben. Die Wintermächte wurden in Wachstumsenergie transformiert.
In späteren Zeiten wollte man sich durch das Maifeuer vor Behexung schützen, da in der Walpurgisnacht die Feen und Hexen besonders rege sind.

Maibaum, Maistrauß und Schandmai

Genauso alt wie das Maifeuer ist der Maibaum. Er berichtet von Baumfesten, die in vielen alten Kulturen gefeiert wurden. Ursprünglich wurden diese Baumfeste im Wald abgehalten, denn dort war der Wald- oder Vegetationsgeist zu Hause. Es ging gegen die Natur von Naturvölkern, einen Baum abzuschlagen, ihn also zu töten, um dann an ihm ein Freudenfest zu feiern.
Erst später wurde es Sitte, einen Baum, meist eine Birke, mit Sang und Klang aus dem Wald ins Dorf zu holen und ihn auf den Dorfplatz aufzustellen. Bis vor Jahrhunderten sollen Frauen die Hauptpersonen bei der Einholung des Baumes gewesen sein, die immer zur Nacht geschah.
Ein „unverwandtes Gegenstück“ zum hiesigen Maibaum ist bei indischen Frühlingsfesten zu finden. Von dort heißt es: „Zu Ehren Indras wurde im Frühling ein mit Laub, Blumen, Kränzen, Wohlgerüchen, Bändern, Kuchen und anderen Glück bringenden Gegenständen behängter Baum, nachdem er unter großen Feierlichkeiten aus dem Wald geholt worden war, aufgepflanzt. Der Baum bringt dem Hofe oder dem Dorfe Segen, weil er aufgerichtet die ihm innewohnende Wachstumskraft weit und breit ausstrahlt. Indra hat versprochen, dass diejenigen, die sein Fest mit Freuden feiern, Glück und Sieg erlangen werden und dass das Bauernland reichlich gedeihen solle.“1
Dieser uralte indische Fruchtbarkeitskult wurde von den Kelten mit nach Westeuropa gebracht, ging in den Druidenkult über und fand Einlass in das Maibrauchtum.
In der Symbolik steht der Maibaum für knospende Natur und erwachende Liebe. Nach altem Naturverständnis steigen zu Maibeginn die Gottheiten auf die Erde. Es ist die Zeit der „Heiligen Hochzeit“, der körperlichen Vereinigung von Gottheit und Menschheit. Bei den Germanen galt der 1. Mai als Hochzeitstag Wodans mit der Göttin Freya.
Durch das Schmücken des Baums wird die Symbolkraft gestärkt. Bunte Bänder verwandeln den zart grünenden Baum oder Ast in einen farbenfrohen Frühlingsstrauß. Freudentänze rund um den Maibaum gehören zum Frühlingsfest.
Früher war es weit verbreitete Sitte, den Maibaum mit Eierschalen zu schmücken. Das Ei als Fruchtbarkeitssymbol durfte bei den Maibräuchen nicht fehlen. Junge Burschen zogen am Abend vor Maibeginn durchs Dorf, sammelten Eier, bliesen diese aus und buken davon große Eierkuchen. Die Schalen wurden auf eine Schnur gereiht und in die Zweige des Maibaums gehängt.
Bis heute wird das Eiersammeln am Vorabend des Maitages durchgeführt. Der alte Brauch des Eierschalenschmucks wurde jedoch vergessen oder als zu umständlich empfunden und aufgegeben.
Beim Eiersammeln wurden spezielle, örtlich unterschiedliche Lieder gesungen. Wo das Eiersammeln gleichzeitig mit dem Maienstecken geschah, war in der Eifel folgendes Lied bekannt: Wir kommen hier gegangen,
Röschen rot!
Ihr wollt uns schön empfangen,
Röschen rot.
Grün ist der Wald!
Gebt uns vom Huhn ein Ei,
wir stellen auch den Mai.
Gebt deren uns wohl vier,
auf’s Jahr rückkehren wir.
Gebt denen uns wohl acht,
das ist uns recht gemacht.
Gebt deren uns wohl zwölf,
die füllen unsre Körb.
Mädchen, tu dich eilen,
sonst wir die Tür auffeilen.
(Beim Weggehen:):
Wir sagen Euch schön Dank,
Röschen roth!
Lebt wohl und werd’t nicht krank,
Röschen rot!2Eng verbunden mit der Tradition des Dorf-Maibaums ist das Stecken der Maien an Häuser, in denen unverheiratete Mädchen wohnen. Früher war das Maienstecken eine kollektive Aktion. Gemeinsam setzten die Dorfjungen jedem Mädchen einen Maien ans Haus. Dabei war es längst nicht gleichgültig, welcher Baum von den Burschen ausgewählt worden war. Birken-, Tannen- und Buchsbaumzweige galten dem unbescholtenen Mädchen. Als Schandmai setzte man laut Rheinischem Wörterbuch: einen Faulbaumzweig derjenigen, die sich morgens früh nicht gerne aus dem Bette erhob; Kirschbaumzweig, Weißdornzweig und Vogelbeerstrauß derjenige, bei der jeder Junge ankam; Stechpalme dem kratzigen Mädchen; Eichenzweig dem knurrigen Mädchen; Pappel-, Espen- oder Weidenzweig der Klatschbase; Wacholder der Kratzbürste, blühender Raps der Falschen; Holunder der gefallenen Schönen; ein verdorrter Ast einer alten Jungfer oder einer, die ins Kloster gehen wollte.
Erst später wurde es in Verbindung mit der Maimädchenversteigerung üblich, dass jeder Jungmann seinem ersteigerten Maimädchen einen bunt geschmückten Maibaum vor die Tür steckte. Schandmaien wurden nicht mehr gesetzt. Das Maienstecken hat bis heute seine Beliebtheit behalten. In vielen Dörfern schmücken die Jungen auch die Wirtschaften, vor allem ihr Stammlokal, sowie öffentliche Gebäude.

Mädchen zu versteigern

„Su ös dat ömmer gewäs. Su soll et ooch bleibe!“3 Mit diesem Satz begann so manche Mädchenversteigerung in der Eifel. Von uralter Tradition und von einem Brauch „seit undenklichen Zeiten“ ist die Rede. „Uraltes“ hat sich nur in der mündlichen Überlieferung und im Brauchtum selbst bewahrt. Schriftliche Belege bringt erst das Mittelalter. So wird von Lehns-Ausrufen aus dem 14. Jahrhundert berichtet. Im 15. Jahrhundert war im ganzen Rheinland und in den angrenzenden Gegenden der Brauch üblich, dass Mädchen innerhalb eines Festes unter die Dorfjungen verteilt wurden. Durch Los oder durch Bestimmung der Erwachsenen kamen die Paare zusammen. Diese Mädchenverteilung hatte unterschiedliche Festtagstermine: Fastnacht, erster Fastensonntag, Ostern, 1. Mai oder der Kirmessonntag.
Versteigerungen, Mailehen (wortverwandt mit leihen, lehnen), sind urkundlich vom 16. Jahrhundert aus Köln, Hessen, aus dem Hunsrück und dem Saargebiet belegt. Vom 17. Jahrhundert liegt erstmals von der Eifel ein schriftlicher Nachweis von Mailehen vor. Kurfürsten und Erzbischöfe erließen Verbote gegen die Unsitten des Mailehens. In dem von ihnen beherrschten Gebiet rechts und links der Mosel wurde durch diese Verfügungen der Mailehenbrauch ausgelöscht.
Die Verbote, die aus dem 17. und 18. Jahrhundert auch aus anderen Regionen bekannt sind, richteten sich gegen das mit dem Mailehen verknüpfte nächtliche Schabernack- und Unfugtreiben, „nachtliches Herumvagabundieren ohngeheyratheter Söhne und Knechte.“ Es ging aber auch, wie in einem kurkölnischen Edikt von 1749 zu lesen ist, gegen das „freventliche Lehn-Ausrufen und Besuchen der Mailehen“. Den Burschen wurde untersagt, „zur Abends- und Nachtzeit ihrem sogenannten Lehen nachzugehen und an deren Fenster so gar über die Dächer in die Häuser hinein zu steigen.“ Wo die Eingriffe der Obrigkeit nicht den Untergang der Brauchtumsformen nach sich zogen, setzte sich eine „Versittlichung“ durch Selbstzensur durch.
Seit dem späten 18. Jahrhundert übernahmen Junggesellenverein - „et Maigeloog, Maigesellschaft oder Maiclub genannt – die Organisation der Maibräuche. Mit strengen Regeln und hohen Geldstrafen wurde für „Sitte und Anstand“ gesorgt. Das „Fensterln“ fand nicht mehr statt, das geisterhafte Herumspuken der Maijungen als böse Winterdämonen blieb jedoch bestehen.
Welchen Unsinn die jungen Burschen trieben, wird 1924/25 wie folgt beschrieben: „Aber nicht nur für die Mailinge, auch für manchen behäbigen Bauer bringt der Maimorgen seltsame Überraschungen; es gelingt ihm weder die Haus- noch die Hoftüre zu öffnen, wohl oder übel muss er zum Fenster hinaussteigen, um Holzblöcke, Ackergeräte, Stricke und dergleichen zu entfernen, womit man ihm die Türen zugestellt und zugebunden hat. Indessen kann sich die Hausfrau nicht erklären, warum der Ofen plötzlich so raucht, was er doch bisher nicht getan hat. Der Grund dafür liegt gar nicht tief, sondern sogar hoch, nämlich oben auf dem Dache, wo die Jungen den Kamin zugedeckt haben. Weit am äußersten Ende des Dorfes scheint ein Aufruhr zu entstehen; entrüstetes Weibergeschrei vermischt sich mit dem lustigen Meckern der Ziegen. Dort hat man sämtliche Ziegen des Dorfes in einen Stall untergebracht, während vorn am Eingang des Dorfes alle Melkstühle, deren man habhaft werden konnte, hoch oben in der Spitze eines Baums thronen.“4
Eng verbunden mit dem Mailehenbrauch ist die Geschichte der Burschenbünde, der späteren Junggesellenvereine. Ziel der Gesellschaft wurde im 19. Jahrhundert wie folgt gesehen: „Der Zweck des Junggesellenvereins ist besonders die Schaffung von Situationen zur Anknüpfung von Paarbeziehungen. Dieser Zweck, dessen allzu offene Hervorkehrung gegenüber der strengen dörflichen Sexualordnung unter Umständen zum Untergang des Gebildes hätte beitragen können, erscheint aber mit einem anderen „maskiert“, d.h. das „soziale Wirksame“ wird verkleidet. So findet man in den Satzungen häufig als Hauptaufgabe der Gruppe die Pflege und Förderung von Religion und Tugend, von Arbeitsamkeit und Sittlichkeit unter der männlichen Jugend verzeichnet. Auch die Bezeichnung eines kirchlichen Heiligen als ihren Schutzpatron bei vielen Vereinen gehört hierher. Es hat eine Anpassung an die herrschende Moralität stattgefunden, die durch Maskierung des wirklichen Vorhabens erreicht wurde. Nur dadurch, dass sich der Junggesellenverein der dörflichen Sexualordnung scheinbar angepasst hat, konnte er nach außen hin allgemeine Anerkennung finden.“5
Der Mailehenbrauch wurde als „Heiratsbüro der Alten“ gesehen, der eine erste Kontaktaufnahme ermöglichte: „Wortkargheit und Schüchternheit der Landbewohner gegenüber dem anderen Geschlecht war die Veranlassung zu seiner Entstehung. Denn durch die Mailehenschaft waren die jungen Leute gezwungen, wöchentlich ein paar Stunden in der Gesellschaft ihrer Auserwählten zuzubringen und mit ihr zu plaudern, wozu sie sonst möglicherweise nicht den Mut fanden.“6
Im 19. Jahrhundert wurde das rheinische Mailehen immer mehr auf die Gebiete der Mittelgebirgsränder zurückgedrängt, vorwiegend in die heutigen Kreise Ahrweiler, Bonn, Euskirchen und Rhein-Sieg. Es wurde zu einem dörflich-bäuerlichen Brauchtum. Die Wirtschaftsweise kleiner Dörfer zeigte noch um 1800 germanisch-gemeinwirtschaftliche Züge. Das Mailehen hatte als „kollektive Partnervermittlung“ besonders in Ortschaften, die durch Geschlossenheit und Abgeschlossenheit gekennzeichnet waren, große Bedeutung. Diese dörfliche Geschlossenheit wurde von außerhalb nur zu gerne – auch noch in neueren Schriften – als Rückständigkeit gesehen.
Ziel des Mailehen-Heiratsmarktes war es, dass Ehen möglichst innerhalb des Dorfes geschlossen wurden. Bei der Versteigerung war kein auswärtiger Käufer und keine fremde „Ware“ zugelassen. Jeder Jungmann hatte die Pflicht, sich im eigenen Dorf nach einer Lebensgefährtin umzusehen. Für eine erste Kontaktaufnahme gab ihm die Ersteigerung einer Auserwählten Gelegenheit. Durch dorfinterne Verbindungen sollte die Gemeinschaft gestärkt werden. Man wollte aber auch vorsorgen, dass Landbesitz im Dorf blieb, da durch ein regional praktiziertes Erbteilungssystem, das die Aufteilung des Besitzes unter alle Erbberechtigten vorsah, die sowieso schon kleinen Landwirtschaften noch mehr zersplittert wurden. So war für Regionen mit „kleinbäuerlicher Vergangenheit“ das Mailehen mehr als ein lustiger Volksbrauch. Es war eine dörflich-kollektive, lokal-gebundene Partnervermittlung.
Obwohl diese Verkupplungs-Spekulationen längst überholt sind, wird auch in heutigen Maibräuchen noch an alten Regeln festgehalten. Wollen junge Männer in einem anderen als ihrem Heimatort einem Mädchen einen Maibaum setzen, so müssen sie an die dortigen Junggesellen einen Obolus zahlen. Diese pochen damit auf ihre Satzungen, machen aber gleichzeitig ein Erstrecht auf Mädchen aus ihrem Dorf geltend.
Der Mailehen-Brauch wurde um 1920 nur noch in „Orten der Kölner Bucht zugewandten nördlichen Eifel- und Ahrberge“7 praktiziert. 1939 fanden in 400 Dörfern der Rheinprovinz Mailehen statt.
Die Ausführung des Mailehen-Brauchs war zwar in den einzelnen Dörfern unterschiedlich, zeigte jedoch in den Grundzügen überall Ähnlichkeiten. Die Jungen des Ortes versammelten sich an einem Platz in der Ortsmitte oder in einer Gaststätte. Nachdem der Scholtes (Schultheiß) und die Schöffen (Kassenverwalter, Schreiber und Fahnenträger) gewählt worden waren, wurden Neulinge in „et Maigeloog“ aufgenommen. Meist waren diese Jungen 16 Jahre alt.
Gerade diese Aufnahme-Zeremonie – heute nur noch nebenbei betrieben – weist weit in die Vergangenheit zurück, denn bei den Germanen wurden die jungen Burschen am 1. Mai durch eine Jünglingsweihe in die Reihen der Männer eingereiht. Von nun an hatten sie das Recht, Waffen zu tragen, dem Thing anzugehören und eine Familie zu gründen.
Im frühen Mittelalter durften die Jünglinge nach der Initiationsweihe eine Hörige aus der Munt freikaufen. Dieses „Freien“ bestand aus dem Freikaufen und einer späteren Kaufehe. Mit diesen historischen Gegebenheiten zeigt das Mailehen verwandte Züge.
Wie eine Versteigerung einst vor sich ging, hat um 1840 der Bonner Privatdozent Gottfried Kinkel aufgeschrieben, nachdem er in Altenahr einer Versteigerung beigewohnt hatte: „Besonders hoch aber gilt der erste Mai, hier Maitag genannt. Am Vorabend desselben sammeln sich alle Jungen des Dorfes unter der Linde oder vor der Kirchentür. Ein gewählter Schöffe bietet nun die sämtlichen Mädchen aus. Das schönste zuerst, und der Reichste trägt sie meist davon, wo nicht eine besondere Herzensneigung zu großen Geldopfern anspornt. So gehen in absteigender Linie alle Mädchen ab.“8
Später wurden die Mädchen zwar nicht mehr „in absteigender Linie“ angeboten, sondern nach dem Alphabet oder den Hausnummern, aber ansonsten hielten die Versteigerungen das alte Muster bei.
Das Alter der versteigerungsfähigen Mädchen war in den einzelnen Orten unterschiedlich, so zum Beispiel von 16 bis 25 Jahren, von 17 bis 40 Jahren oder von 18 bis ins „biblische Alter“. Schon vor der Maifeier war die Mädchenliste fertig gestellt worden. Der zum „nötigen Alter erblühte Zuwachs“ war in die Liste eingetragen worden, und die Neuverheirateten waren gestrichen worden.
Die Ausrufung der Mädchen erfolgte unter derber Anpreisung der Vorzüge und manchmal auch unter drastischer Hervorhebung von negativen Eigenschaften. Eine Anpreisung konnte folgendermaßen lauten: „Maria N., e staats on düchtig Mädchen, met Äugelche wie Kiersche und Hörche wie Grommet, kann Waffele backe ond Botze flecke, fährt de Däukar wie en Aal.“9
Auch die zu zahlenden Geldbeträge waren in den einzelnen Orten recht unterschiedlich; die Aktien standen von ein paar Groschen bis zu einigen großen Scheinen, denn schließlich wollten die Junggesellen etwas in ihre Kasse bekommen. Mit dem Geld wurde entweder eine Maifeier finanziert oder die Kirmes ausgerichtet.
War der Scholtes mit den Einnahmen nicht zufrieden, wurde die ganze Versteigerung als null und nichtig erklärt und eine zweite Versteigerung angesagt. Dass der Junggeselle, der den höchsten Preis des Abends zahlte, Maikönig und sein Mailehen Maikönigin wurde, ist erst in den letzten Jahrzehnten Brauch geworden. Der Maiumzug wurde von den großen Städten übernommen und zeigt Verbindungen zu Fastnachtsumzügen.
Mädchen, die keinen Ansteigerer fanden, wurden zunächst einmal unter den Tisch geworfen und mit dem Besen bearbeitet. Rommel, Hornpott, Knubbel, Köggel Rumpelkes, Gebött oder Zehschür wurde dieser „Ramsch“ genannt. Erst zum Schluss der Veranstaltung „erbarmte“ sich jemand der ungewollten Mädchen: „Die nicht gesteigerten Schönen fallen einem besonders Mitleidigen zu, der sie zusammen ansteigert.“10
Nach einer Umfrage von Studenten in den 1950er Jahren hatte der Aufkäufer dieser „Sitzengebliebenen“ folgenden Namen: „An der Sieg „Dötzchenvater“, westlich von Köln „Dorframmel“, östlich von Köln „Dotzenhalfen“, „Bestevatter“, „Dotzvatter“ oder wie in manchem Eifeldorf „Knubbelhalfen.“11

"Die Passivität der Jungfrauen"

Die Mailehenversteigerung war reine Männersache. Mädchen und Frauen waren rigoros ausgeschlossen. Auch die Berichterstattung lag in den Händen der Männer. Wie eine männliche Beschreibung der Versteigerung aussah, mag folgender Ausschnitt verdeutlichen: „Die meisten Mädchen gehen natürlich wie frische Brötchen weg. Soweit sich für eine Dorfschöne gleich mehrere Jungen interessieren, kommt es oft zu erbitterten Kämpfen und entsprechend hohen Geboten. Dem Letztbietenden wird dann der Zuschlag erteilt. Die gebotene Summe kommt bar in die Kasse. Wer auf kein bestimmtes Mädchen bieten will, erbarmt sich eines alten Jüngferlein und bekommt es als alleiniger Bieter verhältnismäßig billig. Trotzdem fühlt sich das späte Mädchen geehrt, weil sie durch das Gebot nicht unter den Tisch geriet. So sind nun einmal die Frauen.“12
Die Junggesellen, die ein Mädchen gesteigert hatten, mussten mehrere Gebote beachten. Zuwiderhandlungen wurden mit Geldstrafen geahndet. Diese Auflagen waren regional unterschiedlich. Sie konnten zum Beispiel heißen: „Es ist jeder Junge, der ein Mädel gesteigert hat, verpflichtet, seinem Mailehen einen Maibaum zu stellen. Aber dieses ist nicht die einzige Verpflichtung: Jede Woche zweimal muss man sein Mailehen besuchen, wehe, wenn man diesem nicht nachkommt. Nach 20.30 Uhr darf kein Wort mehr mit einem Maimädel gewechselt werden, sonst gibt’s schon wieder ein Protokoll, und jedes dieser Dinger kostet 10 Pfennig.“13
Diese Pflichten können jedoch mehr als erkaufte Rechte angesehen werden, denn schließlich war es der Junge, der das Mädchen ausgewählt hatte, und das Paarverhältnis war durch einen „einseitigen Willensakt der Männer“ zustande gekommen. Das Mädchen musste sich widerspruchslos dem Spruch des Auktionators beugen und den Burschen als Maijungen annehmen, ob dieser dem Mädchen nun zusagte oder nicht. Erst wenn die vom Maigeloog festgesetzte Zeit des Mailehens vorbei war, konnte das Mädchen dem Jungen „durch die Blume“ sagen, dass es nicht an einer Verbindung interessiert war.
Gekennzeichnet ist das Mailehen einerseits durch die Aktivität der Jungmänner, andererseits durch die Passivität der Jungfrauen. Während die Jungmänner am Mai-Vorabend in den Gaststätten über den Wert der „Ware“ feilschten, saßen die Mädchen zu Hause und harrten der Dinge, die da kommen würden. Das Mädchen musste am nächsten Morgen Freude zeigen, wenn es erfuhr, dass es einen „Freier“ gefunden hatte, denn nur dann galt es etwas im Dorf: „Denn es ist nicht schön, wenn man als Dorfmädchen keinen Maibräutigam findet, keinen Maien am Dach aufweisen kann, es ist ziemlich hart sogar. So kam es dann, dass manche Junggesellen neben ihrer Hauptbraut noch bis zu vier, fünf Nebenbräute oder ausschließlich Nebenbräute ersteigerten, Schwestern von Freunden, Nachbarskinder oder einfach Mädchen mit Pech, und also mit einem ganzen Harem auf den Maiball zogen.“14 Auch an diesem Beispiel wird erkennbar, dass die Mädchen von der „Gnade und Barmherzigkeit“ der Männer abhängig waren.
Im Mailehen-Brauchtum werden die einstigen, ungeschriebenen Dorfgesetze sehr deutlich: Entweder unterwarf der einzelne sich in seinem ganzen Verhalten der herkömmlichen Ordnung oder er stand außerhalb der Dorfgemeinschaft. Ein Mädchen, das sich der herkömmlichen Sitte nicht anpasste, konnte durchaus von der Mailehen-Versteigerung ausgeschlossen werden: “Es müssen schon ganz schwerwiegende Gründe sein, die die Burschen bestimmen, ein Mädchen von der Versteigerung auszuschließen. Vor einigen Jahren ist es doch einmal vorgekommen, und die arme Lena brauchte für den Dorfspott nicht zu sorgen. Fremde haben mir einmal gesagt, das sei ein grausamer Brauch. Denen habe ich entgegengehalten, dass der Eifelbauer seine Familie unbedingt rein halten will, und dass die Unversehrtheit seiner Töchter seinen größten Stolz ausmacht. Und wer sich aus dieser reinen Gemeinschaft ausschließt, mag sich nachher nicht beschweren.“15
Das ersteigerte Mädchen hatte seinem „Käufer“ gegenüber verschiedene Pflichten: Es durfte mit keinem anderen Jungen als dem Ersteigerer „gehen“ oder tanzen; es musste zu den festgesetzten Zeiten zu Hause sein und sich dem Besucher widmen; die jungen Leute durften nicht allein sein; die Eltern des Mädchen mussten anwesend sein und als Aufpasser fungieren; zwischen Mädchen und Junge musste mindestens ein Stuhl breit Abstand sein.
Die Pflichten der Mädchen und die Rechte der Jungen galten nur für eine bestimmte Zeit: Entweder bis zur Bohnenblüte, zum Maiball oder bis zur Kirmes. Wo heute noch Mailehenversteigerungen stattfinden, vorwiegend in der Nordeifel, sind die Auflagen längst außer Kraft gesetzt. Die „Passivität der Jungfrauen“ hat sich aber bis heute erhalten, denn Mädchen sind vom Versteigerungs-Spektakel meist ausgeschlossen.16

Der Rosengarten

Da die jungen Burschen viel intensiver im öffentlichen Dorfgeschehen auftraten als die Mädchen, war auch deren Vereinigung im Junggesellenverein fester Bestandteil des Brauchtums im Jahresablauf. Doch auch die Mädchen hatten ihre Gemeinschaft: „Die Dorfmädchen, die sich dem heiratsfähigen Alter nähern, waren früher allgemein gleichartig vereinigt und bildeten den Rosengarten.“17
Von dieser Mädchenschaft ist nur wenig überliefert. Bekannt ist aber, dass die jungen Mädchen am ersten Sonntag im Mai von den älteren Mädchen in die Zunft, dem Rosengarten, aufgenommen wurden. Eine Verbindung zwischen Mai und Frauenversammlung schafft auch das Wort „Maie“, das laut Rheinischem Wörterbuch eine Abendveranstaltung bezeichnet, besonders der Weiber, die eine kleine Handarbeit mitbringen“. Am ehesten haben noch Mai- und Hielig-Lieder die Erinnerungen an den Rosengarten bewahrt. So wurden die „Fein Rosenblümelein“, die „Röslein rot“ und das „Rosental voller Blümelein“ besungen. Vor der Hieligfeier (Verlobungsfest) kamen die Dorfjungen in das Haus des zukünftigen Paares. War der Bräutigam aus einem fremden Dorf, sagten die Jungen folgenden Spruch auf:
„Wir sind gekommen,
denn wir haben vernommen,
dass du die schönste Rose
in unserem Garten hast gepflückt.
Im Namen des Gesetzes wirst du gestroppt.“18Mit einer Flasche Schnaps konnte der „Rosendieb“ die Dorfburschen zufrieden stellen.
Das Wort „Rosengarten“ schafft auch einen Bezug zu den alten Römern, die im Mai rosalia, das Rosenfest, feierten. Viele Flurnamen wie Rosengarten, Rosental und Rosenhof kennzeichnen alte Versammlungsplätze.19

Maria, Maienkönigin

Der Mai galt einstmals als „Mond der Mutter Erde“. Er war Frauenmonat und die Nächte waren Frauennächte. Im Kranz der blühenden Natur wurde die große Fruchtbarkeisgöttin geehrt. Der mythische alte Volksglauben ging im zweiten Jahrhundert nach Christi ins Christentum über und fand in der Verehrung Marias, der Maienkönigin, ihren Fortgang. Durch die Maiandachten – seit dem frühen Mittelalter überliefert - wurden vorchristliche Frauenzusammenkünfte christianisiert. Das Schmücken der Maialtäre zu Ehren der Muttergottes – sowohl in den Kirchen als daheim – ist vom Ursprung her eine Huldigung an die Mutter Natur in ihrer Fruchtbarkeitsrolle. In der katholischen Kirche schließt der Maimonat mit dem Fest Mariä Königin.
Eine Huldigung an die „Königin der Frauen“ bringt folgendes Kirchenlied, das auch heute noch gerne gesungen wird:

Maria; Maienkönigin,
dich will der Mai begrüßen;
o segne ihn mit holdem Sinn
und uns zu deinen Füßen!
Maria, dir befehlen wir,
was grünt und blüht auf Erden.
O lass es eine Himmelszier
in Gottes Garten werden!

Behüte uns mit treuem Fleiß,
o Königin der Frauen,
die Herzensblüten lilienweiß
auf grünen Maiesauen!
Die Seelen kalt und glaubensarm,
die mit Verzweiflung ringen,
o mach sie hell und liebewarm,
damit sie freudig singen!

Heute hat der Mai neben alter Tradition auch Platz für neue Formen wie Maisingen, Maiball und Maiwanderungen. Manche alten Bräuche – wie die Mädchenversteigerung – passen indes nicht mehr in unsere moderne Gesellschaftsform. Frühlingsfroh gefeiert werden sollte auf jeden Fall, wenn es heißt: Der Mai ist gekommen…

Quellenangaben:


1 Dr. Josef Bierekoven: Der Maibaum. In: Heimatkalender Kreis Euskirchen, 1964, Seite 163
2 J. H. Schmitz: Sitten und Bräuche, Lieder Sprüchwörter und Räthsel des Eifeler Volkes, Trier 1856, Seite 33
3 Gustav Hamacher: „Maigeloog“ in der Eifel. In: Eifel-Kalender 1953, Seite 62
4 Michael Zender: Eifel-Heimatbuch, Bonn 1924,25, Seite 180
5 Dr. Leo Hilberath: Der Junggesellenverein in der Eifel, Köln 1931, Seite 44
6 Johannes Fuhrmann: Und Maitag ist heute. In: Eifelkalender 1926/1927, Seite 28
7 Mathias Zender: Das kölnische „Niederland“ in Gestalt und Sonderart seines Volkslebens. In: Rheinische Vierteljahresblätter Jahrgang 36, Bonn 1972, Seite 254
8 Zitiert bei: Gottfried Korff: Heraus zum 1. Mai. In: Volkskultur, herausgegeben von Richard van Dülmen und Norbert Schindler, Frankfurt am Main 1984, Seite 252
9 Rheinisches Wörterbuch, Bonn 1928, Seite 768
10 J.J.: Der erste Mai. In: Eifelgut 1931, Heft 2, Seite 5
11 Klaus Rockenbach, Köln: Das Mailehen in der Eifel. In: Heimatkalender Kreis Schleiden 1954, Seite 26
12 Paul Schröder: Aus dem heimatlichen Brauchtumsschatz. In: Heimatkalender Kreis Schleiden 1965, Seite 150
13 H. Hurth: Maitag und Mailehenversteigerung. In: Die Eifel, Mai 1933, Seite 55
14 Heinz Küpper: Es wurde doch noch eine Mainacht. In: Heimatkalender des Kreises Euskirchen, 1957, Seite 137
15 Robert Legrand: Das „Maigeloog“ in der Eifel. In: Die Eifel, Mai 1936, Seite 54
16 Vgl. Sophie Lange: Die Mädchen bleiben passiv. In: Kölnische Rundschau Eifelland, 24.04.1990
17 Adam Wrede: Eifeler Volkskunde, Frankfurt 1963 (Erstauflage 1924) Seite 215
18 Karl Guthausen: Hillich und Polterabend. In: Kölnische Rundschau, Eifelland, 15.07.1988
19 Vgl. F. Rütten und A. Steeger: Über Rosengarten, Rosental, Rosenhof. In: Rheinische Vierteljahresblätter 1993, Seite 130