Bonn: Matronen & Kunstwerke vom Feinsten


von Sophie Lange

In: Sophie Lange: Wo Göttinnen das Land beschützten

Der römische Name Bonns –Bonna – geht wahrscheinlich auf den Namen einer vorrömischen Siedlung zurück, die von den Eburonen bewohnt war. Nach der Umsiedlung der Ubier gehörte auch Bonn zum Ubier- und damit zum Matronengebiet. Von einer kleinen römischen Militäreinheit entwickelte die Siedlung sich zu einer großen Garnisonsstadt. Ab Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr. lässt sich ein Heiligtum der Matronae Aufaniae nachweisen.

Frühe Fundplätze

Bereits vor 1900 war man mehrmals im Bonner Stadtgebiet auf Matronensteine bzw. Bruchstücke gestoßen. Folgende Fundorte sind angegeben: Vor der Stiftskirche, Wilhelmstraße, Kölntor (beim Theaterbau), beim Bau der medizinischen Klinik (1876), an der Provinzialirrenanstalt, Ecke Theater- und Engeltalerstraße (1887) und Poststraße an der alten Stadtmauer.

Beinamen

Die Beinamen der Matronen waren meist verwittert, nur einmal konnte Rumanehæ und zweimal Aufaniæ gelesen werden. Mehrmals wurden die Göttinnen domesticis - die Heimischen oder Hausgöttinnen - genannt, so zum Beispiel auf einem kleinen Altärchen, das 1876 gefunden wurde und folgende Inschrift trägt: Julia Teratia domesticis VSLM. Auch bei dem 1878 vor der Stiftskirche in einem Ruinenfeld gefundenen Inschriftenstein der aufanischen Matronen werden diese als die Hausgöttinnen bezeichnet: Matribus sive (oder) Matronis Aufaniabus domesticis. Die Inschrift zeigt, dass die Bezeichnungen Matres und Matronæ austauschbar waren.

Fischsymbol

Auf diesem kleinen Aufanienstein ist oben auf einer Platte ein Fisch mit weit geöffnetem Mund abgebildet. Da sich die Fischdarstellung auf der Nebenseite wiederholt, sah man hier eine innere Beziehung zwischen Bild und Gottheit und schloss daraus, dass die Matronen „in erster Linie wegen ihres Segen bringenden und Unheil abwehrenden Einflusses auf Feld und Flur, dann aber auch auf die Gewässer und Quellen in allen Teilen des Römerreiches, deren Bevölkerung germanisch – keltischen Ursprungs war, verehrt wurden.“ 1

Nur einige Fischabbildungen auf Matronensteinen sind bekannt. Auf einem Stein von Rödingen bei Jülich ist ein Delfin dargestellt, der als Freiskulptur auch im Heidentempel Nöthen/Pesch auftaucht. Der Fisch ist ein weibliches Symbol und steht für Intuition und für die lebensspendende Kraft der Frauen. Bei den Kelten spielte der Delfin als Retter der menschlichen Seele und als Wegbegleiter zur Insel der jenseitigen Anderswelt eine große Rolle. Auf dem Kessel von Gundestrup (Dänemark) ist ein Delfin neben dem mit einem Hirschgeweih gekrönten Cernunos dargestellt.

Ausgrabungen Bonner Münster

Der kleine Fischaltar von Bonn wurde von einem Legionär gestiftet. Dr. Hans Lehner, Museumsleiter und Ausgrabungsleiter der Matronenheiligtümer in Nettersheim und Nöthen/Pesch, hielt ein Aufanienheiligtum in der Umgebung von Bonn für unwahrscheinlich und vermutete, dass dieser Legionär wohl aus Nettersheim stamme und in Bonn seinen heimischen Matronen einen Altarstein gesetzt hatte. Doch Ausgrabungen ab 1928 brachten die große Überraschung. Durch eine Versuchsschürfung in der Krypta der Münsterkirche wollte man Spuren älterer Chorabschlüsse finden. Dabei stieß man auf Sarkophage und römische Altäre, die das Provinzialmuseum zu umfassenden Ausgrabungsarbeiten veranlassten.

Die Krypta des Bonner Münsters enthält eine tiefer liegende Gruft, in welcher in eigentümlich schräger Lage drei spätrömische Sarkophage stehen, die als die Särge der Märtyrer Cassius, Florentius und Mallusius gelten. Die Legende kündet, dass die heilige Helena über diesen Särgen die erste christliche Kirche bauen ließ.

Die Ausgrabung legte zunächst aus der Zeit von 300 n. Chr. ein großes Gräberfeld frei, in welchem römische, aber auch fränkische Steinsärge in derselben Richtung wie die Märtyrersärge aufgestellt waren. In einem rechteckigen Raum standen zwei Altarwürfel, die von einer Steinbank umgeben waren. Im Fundament eines älteren Bauwerks stieß man anschließend auf zahlreiche, gut erhaltene römische Steindenkmäler, die als „unbrauchbar gewordenes Altmaterial“ zu Bau- und Werksteinen umfunktioniert worden waren. Die Altardenkmäler bestanden aus Kalkstein, Trachyt oder Sandstein. Es waren unterschiedliche Gottheiten genannt: die Unterweltgottheiten Pluto und Prosperina, Mercurius Gebrinius, doch vor allem die Matronæ Aufaniæ. Die Matronenaltäre waren in Schrift und Bild äußerst kunstvoll gestaltet und „zum Teil zum Besten gehörend, was römische Bildhauerkunst im Rheinland geschaffen hat.“ 2

Matronenweihesteine

Zwei Bauinschriften erzählen von einem vorchristlichen, „ziemlich umfangreichen“ Tempelbezirk in unmittelbarer Nähe des Münsters. 36 Steine nannten die Matronæ Aufaniæ, 16 davon stammen von Offizieren und Soldaten, darunter vier von deren Frauen. Wie in Nettersheim bezeugen die Widmungen eine starke Teilnahme der Garnison an dem Kultus der aufanischen Matronen. Die Bildnissteine stammen jedoch von bürgerlichen Stiftern. Auch Auswärtige sind unter den Dedikanten: „Für die hohe Bedeutung des anzunehmenden Heiligtums und die Beliebtheit des Aufanienkultus spricht die starke Beteiligung von Auswärtigen, zum Teil Männer in hohen Ämtern und Würden. Die Hauptstadt von Niedergermanien, die Großstadt Köln, ist sicher mit drei, vielleicht sogar mit fünf solchen Weihungen beteiligt. “ 3

Die Weihesteine konnten in die Zeit zwischen 164 und 260 n. Chr. datiert werden. In diese Zeit fällt – wie in Nettersheim – die Blütezeit des Tempels, die aber auch hier eine frühere und spätere Nutzung des Heiligtums nicht ausschließt. Neben dem Tempel selbst können folgende Bauten dort unter der Erde ruhen: „Bei der Bedeutung des Heiligtums müssen wir größere Anlagen erwarten; auf eine Tempelküche deutet das Seitenrelief des Steins des Kölner Stadtrats C. Candidinus Verus hin (Opferszene mit Kessel und Schwein). Dazu käme Wohnung für das Aufsichts- und Bedienungspersonal, eine Budenstadt, vielleicht sogar ein Theater, Versammlungsraum – das alles für die Festtage und Wallfahrten, an die uns die starke Inanspruchnahme der aufanischen Frauen und die Funde von Pesch denken lassen.“ 4

Baumdarstellung auf der Rückwand eines Matronensteins aus Bonn

Baumdarstellung
Bild: Baumdarstellung auf der Rückwand eines Matronensteins aus Bonn

Einige Matronenaltäre sind besonders beachtenswert. Die Rückseite eines Inschriftensteins von dem Legionspräfekten der Legion I Minerva, T.Statilius Proculus und seiner Gemahlin Sutoria Pia von ca. 185 n. Chr. zeigt eine interessante Darstellung: In einer Felsenlandschaft steht ein Baum mit knorrigen, weit ausgreifenden Ästen. Auf einem Ast ist ein Vogelnest mit vier Jungen zu erkennen. Eine Schlange windet sich aus einem Astloch. Zu Füßen des Baumstammes befindet sich eine Ziege mit drei Körpern, aber nur einen Kopf. Eine Deutung fand man zunächst nicht und deklarierte das aussagestarke Bild als „künstlerische Spielerei“, aus einer Laune des Künstlers geboren.
Erst später machte man sich mehr Gedanken: „C. B. Rüger hat sich eingehender mit dieser Darstellung befasst und nachgewiesen, wie stark hier keltische Vorstellungen von einem theriomorphen Ziegenkult, aber auch von Werden und Gedeihen, von Segen und Fruchtbarkeit bildlich zum Ausdruck kommen. Auch Schlange und Vogelnest sind erdverbundene Fruchtbarkeitssymbole; sie künden von einem paradiesischen Zustand.“ 3

Auch eine andere Rückseite eines Weihesteins zeigt einen Baum, eine Schlange und drei Ziegen.

Die häufigsten Schmuck- und Symbolelemente der Matronensteine sind Bäume (insgesamt auf 186 Matronensteinen), vor allem Lorbeerbäume und krautartige Fantasiebäume. Dazu kommen Blumen, Füllhörner und Früchte, hauptsächlich Birnen und Äpfel (Granatäpfel). Bei den Opferszenen sind Opferdiener- und -dienerinnen, Opfertiere (Schweine) und Gefäße zu erkennen.

Opferszene auf einem Matronenstein aus Bonn

Opferdarstellungen

Bild: Opferszene auf einem Matronenstein aus Bonn

Ein Bildnisstein mit einer Opferszene ist von Caldinius Celsus gestiftet. (Kopien stehen in der Heerstraße, Nähe Frauenmuseum, und im Rheinauenpark). Er zeigt oben die Inschrift, darunter die Göttinnen und wieder darunter eine Opferszene mit einem kleinen Opferdiener hinter einem Altar mit einer brennenden Flamme. Von links tritt ein Mann in Toga heran (wahrscheinlich der Stifter), von rechts eine weibliche Gestalt in Matronentracht. Sie kann die Vertreterin der Göttinnen sein, die das Opfer entgegennimmt. Eine stehende kleine weibliche Figur neben den seltsam gedrückt wirkenden Matronen kann vielleicht ein Hinweis auf den Grund des Gelübdes sein: Die Geburt eines Kindes, die Genesung von einer Krankheit oder ähnliches.


Frauenversammlung

Das Fragment eines Matronenreliefs, dessen linker Teil abgebrochen ist, zeigt eine Frauenversammlung. In einer Prozession nähern sich Frauen mit Opfergaben dem Bild der Göttinnen. Das Relief, gefunden 1929, ist folgendermaßen beschrieben: „Links, ursprünglich wohl in der Mitte des ganzen Bildes, sitzen in flacher Nische die drei Matronen auf der mit Stoff behangenen Bank, anscheinend mit Körben auf dem Schoß, in der üblichen Tracht, der Kopf mit Haube ist nur bei der rechten erhalten. Zu beiden Seiten der Nische stehen Frauen von vorn gesehen; links ist nur eine Gestalt noch teilweise erhalten; rechts sechs Personen in zwei Reihen hintereinander, in der vorderen Reihe vier, dahinter in den Lücken zwei. Es scheinen lauter Frauen zu sein, vollbekleidet mit Unterkleid unter einem Mantel, der zum Teil wie bei den Matronen schalartig umgehängt und mit Spangen auf der Brust geschlossen ist, zum Teil nach Art der römischen Palla (Frauenmantel) drapiert. In den Händen tragen die Frauen verschiedene undeutliche Gegenstände (Körbchen? Zweige? oder dgl.). Es sind reichliche Farbspuren erhalten. Der Hintergrund der Frauengruppe ist unten blaugrün, oben rot; die Kleider der Matronen waren auch rot gefärbt.“ 4

Wenn die Weihesteine im Allgemeinen nur wenig über den Kult der Göttinnen bei den Ubiern und noch weniger bei den Eburonen aussagen, so zeigt das Prozessionsbild deutlich, wie Frauen sich als Frauengruppe ihren Göttinnen näherten und diese verehrten.

Der berühmte Vettiusstein von 164 n. Chr.

Vettiusstein

Bild: Der berühmte Vettiusstein von 164 n. Chr.

Zu den Funden von den Jahren 1928/30 gehört auch der berühmte Vettiusstein vom Jahr 164. Besondere Aufmerksamkeit widmete man der deutlich jüngeren Figur der Triade. Sie ist jung und klein dargestellt, ihre Füße ruhen auf einem Schemel. Das junge Mädchen ist der Mittelpunkt, denn sie sitzt zwischen den beiden größeren, Hauben tragenden matronalen Begleiterinnen. Sie trägt ihr Haar offen und bekundet damit, dass sie unverheiratet ist. So kann man eigentlich nur von zwei Matronen sprechen, die das heranwachsende Mädchen in ihrer Mitte umgeben und beschützen.

Die Göttlichkeit aller drei Frauen wird jedoch durch die Bonner Funde bestätigt, denn in den Inschriften werden die Matronen als göttlich und heilig benannt: Matronis Aufanis sacrum, Aufanis sanctis, deabus Aufanis. Auch bei den neuen Funden wird mehrmals hervorgehoben, dass die Göttinnen Schützerinnen und Mütter der Heimat sind.

Stifterinnen

Einige Frauen treten als Stifterinnen auf. Gleich zwei Aufaniensteine stammen von Domita Regina, die Gattin des Legaten Calpurnius Proclus. Ein Inschriftenstein zeigt seitlich Bäume und oben eine Platte mit einem Fisch (?), der andere weist oben eine kreisförmige Standfläche und seitlich Bäume auf.

Auf Geheiß der Göttinnen – ex imperium ipsarum – hat Julia Candida den Matronen einen Stein geweiht. Auch dieser Altar zeigt oben eine kreisförmige Standfläche und seitlich Bäume. Genannt wurde schon Sutoria Pia, die mit ihrem Gatten den Inschriftenstein mit der markanten Baumdarstellung den Göttinnen geweiht hat.

Kraftorte

Wie einst die Matronenverehrung in Natur und Landschaft eingebettet war, ist im dicht besiedelten Bonner Raum nicht mehr nachvollziehbar. Einige markante Punkte gelten seit je als besondere Kraftorte: der Godesberg, der Rodderberg, der Kreuzberg, die Hardthöhe und der nahe Tomberg. Der Venusberg, auf dem Siedlungsspuren aus dem 4. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung nachweisbar sind, ist eng mit den aufanischen Matronen verbunden, haben Venus und fania doch dieselbe Sprachwurzel (Fanja = Moor). So können die aufanischen Matronen ursprünglich die Beschützerinnen einer Moorlandschaft in der Nähe des Venusbergs gewesen sein, denn im Moor, das der Anderswelt besonders nahe ist, fühlten sich die drei Göttinnen besonders wohl.



Quellenangaben:

Josef Klein: Zwei neue römische Inschriften aus Bonn. In: Bonner Jahrbücher 67, 1879, Seite 68

Jahresbericht 1928. in: Bonner Jahrbücher 134, 1929, Seite 142

Heinz Günter Horn: Bilddenkmäler des Matronenkultes im Ubiergebiet. In: Matronen und verwandte Gottheiten, Köln 1987, Seite 49

Hans Lehner: Römische Steindenkmäler von der Bonner Münsterkirche, Bonner Jahrbücher 135, Bonn 1930, Seite 19, Nr. 42



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