Als Matronen noch Göttinnen waren
von Sophie Lange
Auszug aus dem Ausstellungskatalog "MATRONIS - Visionen zu einem regionalen Göttinnenkult" von 2001 (vergriffen)
Ausstellung im Propsteimuseum Zülpich
Das Wort Matrone ist zwar heute noch in der deutschen Sprache bekannt, verschwindet aber immer mehr aus unserem Wortschatz. Im Allgemeinen assoziieren wir mit dem Begriff eine schwerfällige, herrschsüchtige alte Frau. Und doch schimmert bei dem Wort noch etwas von Macht und Magie der weisen Alten durch.
Verschwunden aus unserem Sprachgebrauch ist die Bezeichnung Matrone für den Begriff Beschützerin. Die Schutzmatrone wurde während einer frauenfeindlichen Sprachentwicklung zur Schutzpatronin.
Weit zurück führt der Weg in die Zeit, als Matronen noch Göttinnen waren. In Stein verewigt und unter dem Wort Matronae zusammengefasst wurden die Göttinnen von römischen Legionären. Doch der Kult von drei segenspendenden weiblich-göttlichen Wesen ist viel älter und führt bis in graue Vorzeiten und zu den Naturreligionen zurück.
Die Mutter Natur war den Urmenschen heilig. Sie war die Lebensspenderin, die Nahrungsgebende und die Schützerin. Aber auch Himmel und Unterwelt gehörten zu ihrem Reich. Neben der Großen Göttin und anderen bedeutenden Gottheiten wurden lokale Göttinnen und Götter verehrt, die für ein bestimmtes Landschaftsgebiet mit seinen Siedlungen zuständig waren. Mensch und Tier, Feld und Flur, Haus und Gut standen unter ihrem besonderen Schutz. Zu diesen lokalen Genien gehören die Matronen. In dem Gebiet zwischen Eifel und Rhein verdrängten sie fast alle anderen Götter. Sie waren die Mächtigsten, die das Land beschützten.
Wohl behütet im Mutterschoß
Aus unterschiedlichen Zeiten und Kulturen und unabhängig voneinander ist die Verehrung einer göttlichen Urmutter nachweisbar. Aus dem Schoß dieser Großen Göttin stammen alle Götter und Menschen und alles Sein im Himmel und auf Erden. Diese göttliche Urahnin gebiert aber nicht nur aus ihrer Lebensmitte das Leben, sondern behütet und beschützt es und nimmt es schließlich wieder in ihren Schoß auf. Sie ist Mutterschoß und Mittelpunkt, in dem Leben, Tod und Wiedergeburt zusammenfließen.
Das Sanskrit-Wort garbba-grha für Mutterschoß bedeutet gleichzeitig Tempel und Heiligtum und steht somit für die heiligen Orte, zu denen auch die Orakelplätze gehören. Das älteste griechische Orakel - der Großen Mutter Erde, dem Meer und dem Himmel heilig - befand sich in Delphi; delphos bedeutet Mutterschoß. Viele megalithische Gräber und jungsteinzeitliche Hügelgräber sind als Mutterschoß angelegt. In den dunklen Höhlen tief im Schoß der Mutter Erde beginnt und endet alles Leben.
Die matriarchalen Spuren des Mutterschoßes sind auch bei den Matronen zu erkennen. Als Zeichen ihrer Weiblichkeit ist besonders der Schoß betont, in dem die Göttinnen in Obstschalen die Gaben der Mutter Erde schützen. Zusätzlich beschirmen sie ihren Mutterschoß, der Kern des Lebens und Sitz der Weisheit ist. In der göttlich-weiblichen Mitte ruht wohl behütet das uralte Geheimwissen der Frauen, umhüllt von einem tiefen Schweigen.
Die Opfergaben
Die Kultplätze der Matronen liegen stets auf Anhöhen, manchmal sind diese Hügel kleiner, manchmal größer ausgeprägt. Besonders zu den Sonnen- und Mondfesten machten die Menschen sich auf den oftmals weiten Weg, um diese heiligen Stätten zu besuchen. Von Zuhause brachten sie Gaben für die Göttinnen mit. Diese "Mitbringsel" konnten als Geschenk gesehen werden, aber auch als Bitte an die Göttinnen, diese Gaben zu schützen und reichlich wachsen zu lassen. Den Matronen wurden vorwiegend Birnen und Äpfel (meist als Granatäpfel abgebildet) in den Schoß gelegt. Zusätzlich sind Ähren, Pinien, Kräuterkästchen und Schweinsköpfchen als Opfergaben dargestellt. Alle Attribute haben Fruchtbarkeitscharakter, wobei besonders Äpfel und Birnen weibliche Ursymbole sind, die Leben, Sterben und Wiedergeburt versinnbildlichen.
Auch die Altarsteine als solche sind Opfergaben. VOTUM SOLVIT LIBENS MERITO ist zu lesen, womit kundgetan wird, dass eine Stifterin oder ein Stifter ein Gelübde getan und für die Erfüllung der Bitte einen Weihestein versprochen hat. Andere Steine sind auf Geheiß der Göttinnen angefertigt worden: EX IMPERIUM IPSARUM.
Reichen Erntesegen und paradiesische Zustände zeigen die Füllhörner, die auf Schmalseiten von Matronensteinen zu finden sind. Auch diese sind mit Obst gefüllt. Der Baum als Symbol des ewigen Lebens ist eng mit dem Matronenkult verbunden und in verschiedenen Stilen abgebildet. Im Heidentempel Nöthen/Pesch gibt es Hinweise auf ein frühes Baumheiligtum im späteren Matronentempel. Abgebildete Vögel, zum Beispiel Kraniche, geben der Hoffnung Ausdruck, dass der ewige Kreislauf in der Natur niemals unterbrochen wird.
Symbolik von Birne, Apfel und Pinienzapfen
Die häufigsten Attribute auf den Matronensteinen sind die Birne, der Apfel und der Pinienzapfen.
Eiszeitliche Frauenstatuetten erinnern in der Üppigkeit des Körpers an die Form der Birne. So steht diese für Erotik und weibliche Fruchtbarkeit, die die Fruchtbarkeit nach dem Tod und damit die Wiedergeburt einschließt. Früher galt der Birnbaum als Heilbaum, dem man Krankheiten übertragen konnte. Außerdem war er Orakelbaum. In den Raunächten zwischen den Jahren verhieß er den Mädchen die kommende Liebe im Jahr.
Der Granatapfel gilt im gesamten Orient als Fruchtbarkeitssymbol. Der rote Saft und die zahlreichen Samenkörner versinnbildlichen den weiblichen Schoß. Die Frucht verspricht jedoch nicht nur die Hoffnung auf zahlreichen Nachwuchs sondern auch Lebensfülle und Lebensfreude. In der Mythologie essen die Seelen der Unterwelt Granatäpfel, um ihre Wiedergeburt zu bewirken. In dem erotischen Buch der Bibel, dem Hohelied, wird die Geliebte mit einem Granatapfel verglichen. (Abbildung: Bruchstück eines Matronensteins aus Bonn)
Die Kultur des hiesigen Apfelbaumes lässt sich bis in die Steinzeit zurückverfolgen. Die oft winzigen Godenäpfel, die man heute noch wildwachsend in der Eifel antrifft, wurden von den Römern kultiviert.
Die aus südlichen Ländern stammende Pinie ist in der Antike als Schmuckelement an Brunnen und Grabstätten zu finden. Der Pinienzapfen symbolisiert ebenfalls die Fruchtbarkeit und verspricht ein Weiterleben nach dem Tod. Er ist der heilige Baum der kleinasiatischen Göttin Kybele.
Nachklänge des Matronenkults
Nach der Christianisierung lebten die heidnischen Matronen in der Volksfrömmigkeit weiter. Als die drei heiligen Bethen und die heiligen Schwestern Fides, Spes und Caritas - die legendären Töchter der heiligen Sophia - fanden sie Einlass in die Heiligenverehrung. In lokalem religiösem Brauchtum, zum Beispiel bei der Verehrung der heiligen Brigida, haben sich vorchristliche Vorstellungen erhalten. Die Kulte der Muttergöttinnen flossen in abgewandelter Form in die Verehrung der Gottesmutter ein. Die alten Matronen-Symbole wie Mond, Apfel und Schlange haben auch in Mariendarstellungen große Bedeutung.
Im frühen Christentum wurden die alten Kultplätze weiter von den Menschen besucht. So gab Papst Gregor der Große um 600 die Anweisung, die Heidentempel nicht zu zerstören sondern in christliche Kirchen umzuwandeln. So stehen manche Kirchen an den Kraftplätzen der Götter und Göttinnen. Auf dem Land haben Dorfkirchen, Kapellen, Bildstöcke und Wegekreuze die ehemaligen heidnischen Heiligtümer ersetzt, In der Geisterwelt leben die Matronen als drei unnahbare Juffern weiter. Als geheimnisvolle Lichtgestalten spuken sie an den alten Matronenplätzen, an Quellen und Flüssen.
Matronenstein von Sigrid Kisters-Hartung † 1996
Ich höre Dich
Drei-Frau
vom Feenhügel
am Kranichquell,
im Tal höre ich Dein Lied,
Deine süße, milde Melodie.
Singe, singe weiter.
Heute,
morgen,
noch übermorgen...
Deine Tod-Melodie,
Deine Trost-Melodie,
Meine.