Mystische Mütterverehrung im Wandel der Zeiten


Drei Mütter im mystischen Schein
Matronen thronend in Reih'n
Gebete gemeißelt in Stein

Sinnbild aus Sehnsucht geboren
Zur himmlischen Heerschar erkoren
Zwischen Träumen und Tränen verloren

Dem Diesseits-Denken entschwunden
Doch Zeit und Zerfall überwunden
Als Sinnbild-Denkmal wieder gefunden



Wir wissen viel über den Matronenkult - und doch wissen wir nur wenig Konkretes. Es gibt zahlreiche schriftliche Abhandlungen über dieses Thema - und doch wurde im Altertum nichts Schriftliches darüber niedergelegt. In keiner antiken Schriftensammlung ist etwas über die Matronenverehrung zu finden - und doch gibt es ein riesiges Archiv, das von diesen Göttinnen berichtet. Dieses Archiv entdeckte man erstmals um 1600 und verstärkt im letzten Jahrhundert. Die wertvollen Dokumente sind aus Stein, liegen wohlbehütet in der Erde und wurden meist durch Zufälle entdeckt. Das Archiv erstreckt sich auf ein ausgedehntes Gebiet - auf das ehemalige Gallien bis nach England und Italien, mit Schwerpunkt im damaligen Gebiet der Ubier, einem Germanenstamm, der sich westlich des Köln-Bonner Raumes niedergelassen hatte.

Weihesteine der Matronen

Bild: Matronen-Weihestein, 164 n. Chr., gefunden unter dem Bonner Münster. Foto: Rheinisches Landesmuseum

Die aussagestärksten Archivstücke sind Altarsteine, auf denen drei Frauen dargestellt sind. Etwa 800 dieser Steine fand man insgesamt; von den Fundstellen im Rheinland liegen 14 am Rhein, sechs an Erft und Swist und 24 zwischen Erft und Rur. Meist entdeckte man diese antiken Denkmäler in römischen Trümmerfeldern. Doch auch beim Freilegen fränkischer Plattengräber fand man Weihesteine, die dort eine Zweitverwendung gefunden hatten.

Die Gestalten sitzen in einer Nische, sind mit langen, faltenreichen Gewändern bekleidet und haben Körbe mit Früchten oder sonstigen Opfergaben auf ihren Knien. Die beiden äußeren, älteren Frauen tragen große, turbanartige Hauben, während die mittlere, jüngere Figur mit herabwallenden Haaren und ohne Kopfbedeckung dargestellt ist; es könnten demnach zwei verheiratete und eine ledige Frau gemeint sein. Die drei entscheidenden Phasen im Leben einer Frau drängen sich auf: Tochter, Gattin, Mutter.

Schon nach den ersten Funden dieser Dreiergruppen wagte man vorsichtige Prognosen. Man erkannte in den Reliefdarstellungen ein Sinnbild, das Sonne und Mond - gekennzeichnet durch die Hauben - und die Mutter Erde darstellen sollte. Aber man deutete die Gestalten auch als Mondkünderinnen, wobei die kleinere Gestalt den Neumond anzeigen sollte. Aus den Opfergaben schloss man, dass die Frauengestalten Fruchtbarkeitsgöttinnen versinnbildlichen, die um alles Werden auf der Erde angefleht wurden. Durch das Sitzen, Thronen, sollte ihre Würde deutlich werden. Aus der sitzenden Stellung schloss man aber auch auf ihr Gewerbe als Pythia, Seherin, und erklärte die weisen Frauen zu Schicksalsgöttinnen. So hat man vieles aus den Frauengestalten herausgelesen und sicher auch manches hineingelesen. Es bleiben Fragen und Zweifel.

Inschriften auf den Matronensteinen


Viele der im Erdboden gefundenen Steine tragen nicht nur ein Bild, sondern sprechen auch durch Schriftzeichen zu uns. So fand man auf dem Gelände der Görresburg bei Nettersheim, auf dem erstmals 1909 und später 1976 gegraben wurde, mehr als 40 Inschriftensteine. Eine Inschrift auf dem Sockel eines Weihesteines lautet:

Die Aufanischen Matronen-Dreiheiten im Matronentempel Görresburg Nettersheim

DEABUS AUFANI(S)
PRO SALUTE INVICTI ANTONNINI AUG(USTI)
M(ARCUS) AURELIUS AGRIPINUS
B(ENE) F(ICIARIUS) CO(N) S(ULARIS)
V(OTUM) S(OLVIT) L(IBENS) M(ERITO)
Übersetzung:

Den aufanischen Göttinnen
für das Heil des unbesiegten Kaisers Antoninius
hat Marcus Aurelius Agripinus,
Beneficiarier (Wachsoldat) im Stab des Statthalters,
sein Gelübde gern (und) nach (ihrem) Verdienst eingelöst

Bild: Die Aufanischen Matronen-Dreiheiten im Matronentempel Görresburg Nettersheim

Beschriftungen dieser Art halfen bei der Bestimmung der Denkmalsteine weiter. Jetzt wusste man schon, dass es sich um Weihesteine handelte, die den göttlichen Matronen geweiht waren. Es verwirrte nur, dass diese immer wieder andere Beinamen trugen, über deren Deutung die Gelehrten sich bis heute die Köpfe zerbrechen. Immerhin konnte mit Hilfe einiger aufgeführter Feldherren eine Zeitspanne fixiert werden. So konnte man den Hauptzeitraum der Matronenverehrung im hiesigen Gebiet auf das zweite bis vierte Jahrhundert n. Ch. datieren. Auch wusste man nun, dass diese Matronensteine von Römern erstellt worden waren. Bei Ausgrabungen in der Nähe von Pesch fand man Matronensteine und eine Jupiterstatue nahe beieinander.

Dass es sich bei den Matronen jedoch nicht um römische Göttinnen handelte, wurde bald bewusst; denn nirgendwo hatten die römischen Schriftgelehrten etwas über diesen Kult niedergeschrieben, und die Römer schrieben gerne und ausführlich über ihre Götterwelt. So geben die Matronen-Schriftsteine manche interessante Auskunft über die römische Zeitepoche. Doch das Reich der göttlichen Mütter bleibt voller Mystik.

Kultplätze und Tempel der Matronen

Matronae Aufaniae, Nettersheim
Matronae Aufaniae, Nettersheim


Dass diese Matronensteine nicht planlos in der Gegend gestanden haben, war nicht nur eine logische Folgerung, sondern bestätigte sich durch weitere Bodenfunde. Stets waren in der Nähe von entdeckten Weihesteinen Reste von Bebauungen vorhanden. So erkannte man, dass die Denksteine zu kleineren oder größeren Kultstätten gehörten.

Die Kapellen hatten nur privaten Charakter und können einer Familie oder Sippe zugeordnet werden. Solche kleine Heiligtümer lagen u.a. bei Iversheim, Elvenich, Lessenich, Lechenich, Embken und Vettweiß. Eine kleinere Tempelanlage ist in Zingsheim rekonstruiert: eine quadratische Cella als Wohnsitz der Gottheit und ein offener Umgang.

Größere Tempelanlagen, die als kultischer Mittelpunkt für einen vicus galten oder auch als Wallfahrtsstätte gedacht waren, konnten in Weilerswist, Nettersheim, Pesch und Trier bestimmt werden. In Nettersheim sind drei cellae innerhalb einer Umgangsmauer wieder sichtbar gemacht worden. Dass auch jedes größere römische Kastell eine eigene Kultstätte besaß, stellte sich bei Ausgrabungen in Zülpich heraus. All diese Funde zeigen, dass sich ein ganzes Netz von Matronen-Verehrungsstätten über das Eifelgebiet ausbreitete. Weiteren Aufschluss erwartete man durch einen Vergleich derjenigen Stellen, an denen Weihesteine und Tempelreste gefunden worden waren. Häufig fand man Tempelreste auf Erhebungen in der Nähe einer römischen Siedlung und Straßen sowie nicht weit von einer Quelle.

Religion der Kelten

"Die Mütterverehrung ist kein germanischer oder römischer, sondern ein keltischer oder gar vorkeltischer Brauch." Zu diesem Resultat kamen die Geschichtsforscher. Will man den Matronenkult verstehen, muss man sich zunächst mit der Religion der Kelten und deren Vorfahren auseinandersetzen.

Zu allen Zeiten haben die Menschen Religion in irgendeiner Form ausgeübt. In Urzeiten waren in unserem Gebiet die Höhlen für die Menschen heilige Kultstätten und dort verehrten sie ihre Götter.(s. Sagen Kakushöhle) Spätere Zeitalter verlegten ihre Glaubenspraktiken in die freie Natur.

Von den Kelten wissen wir, dass sie sehr naturliebend waren. Sie fühlten sich eins mit allen Geschöpfen der Erde, mit Tieren, Pflanzen und Bäumen, mit Wasser und Luft und mit den Gestirnen. Den Mondphasen schrieben sie magische Kräfte zu; allem Übersinnlichen waren sie zugeneigt. So ist es verständlich, dass sie sich ihren mannigfachen Göttern auf Bergeshöhen, in heiligen Hainen und an Wasserquellen besonders nahe fühlten. Diese Plätze, aber auch Bäume - und bei den Irlandkelten die Megalithbauten - waren nicht nur die Orte, sondern oftmals auch die Gegenstände ihrer Verehrung. Baum- und Quellenkulte sind bis in eine sehr späte Zeit aus gallischen Heiligenriten bekannt.

Das Erbauen von Tempeln aus Stein brachten die Römer als Kulturgut mit in die eroberten nördlichen Länder. Man nimmt jedoch an, dass auch schon vor der römischen Eroberung die gallischen Kelten vereinzelt Wohnstätten für ihre Götter errichteten.

Das typisch keltische Heiligtum war ein Quadratbau mit Umgang; die Römer dagegen bevorzugten den rechteckigen Grundriss für ihre Götterhäuser.

Die wenigen keltischen Kultstätten aus Holz waren dazu bestimmt, Wallfahrer anzuziehen. Diese Heiligtümer waren ebenfalls mit Vorliebe auf Berggipfeln, an Quellen, Seen, Flüssen und Kreuzungen angelegt. Diese primitiven Bauten wurden von den Römern erneuert und zu Tempelbezirken ausgebaut.

Bild: Teilrekonstruierter Tempel Görresburg bei Nettersheim

Bild: Teilrekonstruierter Tempel Görresburg bei Nettersheim

Wesensfremd war es den frühen Kelten, ihre Götter in menschenähnlicher Gestalt darzustellen. Auch hinterließen sie nichts Schriftliches über ihre Religionslehre, obwohl sie sich im täglichen Leben der griechischen Schrift und Sprache bedienten. Cäsar vermutete, dass die Kelten ihre geheimnisvollen Riten nicht in Feindeshand geraten lassen wollten; andererseits sollte das Auswendiglernen für die Druiden (keltische Priester, auch Moralphilosophen genannt) ein Gedächtnistraining sein. So brauchten die Anlernlinge 20 Jahre, um alle geheimen Verse, Beschwörungsformeln und Opferriten zu beherrschen.
Unsere Kenntnisse über die keltische Religionslehre sind äußerst dürftig. Was wir wissen, kennen wir aus späteren Aufzeichnungen und -wie bereits erwähnt - aus archäologischen Funden. Caesar und der Geschichtsschreiber Lucan haben die ersten Aufzeichnungen gemacht, wobei jedoch zu bedenken ist, dass Caesar die keltischen Zustände den römischen Denkkategorien anpasste.

Für die Kelten war die Welt ein Mythos, und so war auch ihre Religion voller Mystik und Magie. Es gab eine Vielfalt von Göttern. Die Stammesgötter waren zwar regional verschieden, doch waren sie bei allen Stämmen gleicher Wesensart. Auch ihre Rituale, Feste und Opferriten hatten viel Gemeinsames. Obwohl es bei den Muttergottheiten eine Unmenge von verschiedenen Namen gab, waren die Vorstellungen über diese göttlichen Wesen alle gleich.

Die Dreiheit der MATRONEN


Eine große Rolle spielte in den religiösen Vorstellungen der Keltenstämme die Dreiheit. Die Dreizahl symbolisiert übernatürliche Kraft und Vollkommenheit; so war der dreiköpfige Gott der mächtige Gott und Göttinnen in Dreierform verdeutlichten die Große Göttin. Göttinnen in Dreierform konnten verschiedenes aussagen: Mutter - Tochter - alte Weise oder Große Mutter- Tochter - Göttin oder auch Geist - Körper - Seele. Wenn die Menschen der Antike sich ein weibliches Geschöpf als Göttin vorstellten, sahen sie darin die Spenderin des physischen Lebens. Hatten die Muttergöttinnen sogar eine Vorrangstellung, so war dies der religiöse Ausdruck einer matriarchalisch ausgerichteten Gesellschaft. Dieser Mütterkult reicht bis zu den Ursprüngen der indoeuropäischen Völkerfamilie zurück. Die Kelten und Germanen waren die letzten Stammeskulturen mit Resten einer matriarchalischen Mythologie. Mit der Überleitung vom Matriarchat (Mutterherrschaft) zum Patriarchat (vaterrechtliche Gesellschaftsform) trat die Mütterverehrung in den Hintergrund. Den Menschen stand sie aber im Lebenskampf mit den täglichen Sorgen, mit Not und Leid, oft am nächsten. So lässt es sich erklären, dass die Matronen zwar untergeordnete Göttinnen waren, aber die Verehrung äußerst intensiv und weitverbreitet war.

Matronae Aufaniae, Nettersheim

Hauptsächlich werden die heiligen Mütter um Segen für die Früchte der Erde angefleht worden sein. In Urzeiten hatte die Frau für die pflanzliche Nahrung zu sorgen, und sie ging den Weg vom Sammeln zum Pflanzenanbau. In diesem Sinne ist auch die Deutung der Frauengestalten als Sonne - Erde - Mond zu verstehen, denn von diesen hing alles Wachstum ab.

Die Matronen hatten aber auch schützenden Charakter und bewachten Haus und Familie, Feld und Vieh. Hat der Ausdruck Matrone inzwischen bei uns auch eine Wandlung erfahren, so wird die schützende Macht im männlichen Gegenwort Schutz-Patron noch deutlich. Bei heiligen Frauen müsste man nicht von einer Schutzpatronin, sondern viel eher von einer Schutz-Matrone sprechen.

Die frühere Machtstellung der Frau ließ sie aber auch als Hellseherin, Pythia und Zauberin gelten. Dass die Sensibilität der Frau eher Zugang zum Übernatürlichen hat als der Mann zeigt sich auch in unserer Zeit. Den Matronen schrieb man die Macht zu, das Schicksal des einzelnen zu wissen und zu leiten.

Religion der Germanen


Inwieweit germanische Komponente bei der Matronenverehrung eine Rolle spielen, ist unklar. Wir müssen davon ausgehen, dass in der vorrömischen Zeit eine scharfe Unterscheidung zwischen Festlandkelten und Germanen kaum möglich war. Erst durch die Grenzlandfestlegung Caesars wurden Kelten und Germanen getrennt. Caesar spricht meist nur von Galliern, womit alle Bewohner Galliens gemeint waren, egal ob sie Kelten oder Germanen waren.

Wir wissen jedoch, dass auch germanische Stämme die Mütter-Dreiheiten verehrten. Auffallend ist, dass in den Übergangsgebieten zwischen den rein germanischen und den altkeltischen Kulturländern die Matronenverehrung besonders oft nachweisbar ist. Eine Wesensverwandtschaft der Matronen mit den Nornen, den nordisch - germanischen Schicksalsgöttinnen, ist nicht zu leugnen. Einen Hinweis auf eine germanische Matronenverehrung sieht man in den mysteriösen Beinamen der Göttinnen, in denen man sowohl keltisches als auch germanisches Sprachgut erkennen kann. Doch auch die andere These, dass einige Matronen griechische Namen oder Titel tragen, ist vertretbar.

Bei der Deutung der geheimnisvollen Namen ergaben sich große Schwierigkeiten. Man gewann fast den Eindruck, dass absichtlich eine Deutung erschwert worden war und dass mystische Klanglaute eingegliedert worden waren. Einige Namen könnten auch freie Wortschöpfungen sein, denn die gallischen und britischen Druiden hatten das Recht, Wörter für Volksstämme, Personen, Bachläufe und andere Dinge zu kreieren.

Eine bekannte Mütterdreiheit ist die Matronae Aufaniae, die in unserem Gebiet in Bonn, Zülpich - Hoven, Kommern und Nettersheim verehrt wurde. Ein Sippenname als Ursprung, wie er bei einigen regionalen Gottheiten wahrscheinlich ist, fällt hier weg. Deutungsversuche des Namens Aufaniae: gemeinsam spinnende Künderinnen - wieder Licht Kündende - die Überflussgebenden - Seherinnen. (Neuere Deutung: au fanja = am Moor gelegen (Venn, Venusberg.) Auch sah man durch Lautverschiebung eine Wortähnlichkeit zu Hoven und Ubien.

Die Matronae Gabiae wurden fast den ganzen Lauf der Swist entlang verehrt. In diesem Namen erkannte man den keltischen Wortstamm gab und den altgermanischen gib; diese Silben bedeuten geben oder spenden. Der Matronenname Fachineha, der aus Euskirchen und Zingsheim bekannt ist, kann mit dem Feybach (alter Name "Bacina") zusammenhängen.

Religion der Römer


Mit der Eroberung des Rheinlandes durch römische Legionen unter Caesar (55 v. Chr.) erfuhr unser Land eine erhebliche Wandlung und Entwicklung, sowohl in kultureller als in zivilisatorischer Hinsicht. Die Römer brachten ihre Vorstellungen von einer internationalen Götterwelt mit. Neben der pflichtmäßigen Verehrung der großen Götter Jupiter, Mars, Merkur, Apollo und den Göttinnen Juno, Minerva, Diana und Fortuna sowie des jeweiligen Kaisers war es den Legionären freigestellt, weitere Gottheiten anzuerkennen.

Von unserem Gebiet ist bekannt, dass die Römer den Barbaren ihren Glauben ließen. Seit Kaiser Tiberius (14 - 37 n.Chr.) waren jedoch die Bruderschaften der Druiden verboten, da diese nicht nur religiöse und philosophische Lehren vermittelten, sondern auch eine politische Machtstellung innehatten. Auch den grausamen Menschenopfern setzte man ein Ende. Aber ansonsten tolerierten die Eroberer die einheimische Religionsvorstellung und verschmolzen manche barbarischen Kulte mit ihren Religionspraktiken. Von den transzendenten Riten der Urkelten und den mythologischen Spekulationen der Druiden dürften jedoch nur geringe Spuren übernommen worden sein. In den abgelegenen Gallierdörfern blieben die keltischen magischen Kulte am reinsten erhalten. In den großen Kastellen in der Nähe der Städte Köln, Neuss und Trier war der römische Einfluss dominierend.

Von der Verehrung der gütigen Mütterdreiheit waren die Römer so fasziniert, dass sie diesen Kult übernahmen. Sie bauten ihnen Tempel und erstellten aus Dankbarkeit für erhörte Gebete steinerne Votivmale, die sie auf den Umgangsmauern oder zwischen den Tempelsäulen aufstellten und die für uns heute ein sicherer Beweis für die römische Matronenverehrung sind. Über die Art dieser Verehrung wissen wir nichts. Es ist aber anzunehmen, dass den Matronen Opfergaben in Form von Früchten dargebracht wurden. Geldspenden wurden durch umfangreiche Münzfunde in Tempelbereichen nachgewiesen.

Religion der Christen


Die Matronenverehrung wurde verdrängt, als das Christentum sich ausbreitete. Der römische Kaiser Theodosius erließ 380 ein Religionsedikt, wonach der christliche Glaube Staatsreligion wurde. 392 verbot er alle heidnischen Kulte. Das römische Weltreich verfiel, und die Legionäre mussten die eroberten Länder verlassen. In unserem Gebiet übernahmen die Franken das Land und die Herrschaft. Auch in den kleinen Weilern setzte die Christianisierung ein, teilweise jedoch erst am Ende des 6. Jahrhunderts. Die vordringenden Missionare zerstörten die Tempel und zertrümmerten die Götterstatuen. Auf den Tempelruinen bauten sie christliche Gotteshäuser. Manche alte Kirche unseres Landes steht der Volksmeinung nach an der Stelle, wo vordem ein heidnischer Tempel oder eine Opferstätte der Vorzeit gewesen ist, z. B. in Dottel, Weyer, Rohr, Ripsdorf, Ahrhütte und Tondorf. So sollte der Sieg des Christentums über das Heidentum dokumentiert werden. Der Heidentempel auf der Görresburg zwischen Nettersheim und Marmagen ist anscheinend nicht zerstört worden, so dass Weihesteine relativ gut erhalten blieben. Auch wurde er nicht überbaut.

Matronen im Bonner Münster


Bei Ausbesserungsarbeiten in der Krypta des Bonner Münsters fand man etwa 50 Matronenweihesteine, die dort als Werkstücke verbaut worden waren. Im Bereich der Stadt Euskirchen wurden sechs Matronensteine sichergestellt; einer davon ist in St. Martin vermauert. Trotz der Christianisierung wurden die Matronen im Volk weiterhin verehrt. Heidnische Kulte blieben erhalten. Papst Gregor I. (590-604) erkannte dies und ordnete an, den Volksglauben nicht zu zerstören, sondern möglichst den christlichen Anschauungen anzugleichen. Zunächst jedoch flüchteten die heidnischen Götter in die Zauberwelt der Sagen und Märchen. Die Schreckgötter wurden zu wilden Jägern, zu bösen Kobolden und furchterregenden Gespenstern. Die gütigen Matronen verwandelten sich in wohlwollende Feen, die als drei Juffern herumspukten. Sie waren weiß gekleidet, erschienen in Dreierform, trugen Körbe mit Früchten und hatten beschützenden Charakter. Sie waren Jungfrauen im matriarchalischen Sinn. Juffernsagen waren seit langer Zeit bekannt. Doch der Bezug zu den Matronen bewies sich erst durch die Funde der Matronenweihesteine. Überall dort, wo die Matronenverehrung besonders verbreitet war, wurden im Volksmund auch Sagen von den weißen Juffern erzählt.

In der christlichen Religion erfuhren die segenspendenden Matronen eine Umwandlung in Heilige. Am Oberrhein sind drei heilige Jungfrauen mit den Namen St. Einbede, St. Warbede und St. Willibede bekannt. Aus der Wortdeutung geht hervor, dass die Mutter Erde, die Sonne und der Mond als die drei Ewigen gemeint sind. Hier besteht eine klare Verbindung zu den Muttergottheiten der Antike. Die drei heiligen Frauen wurden auch die "Drei Marien" und die "Drei heiligen Schwestern" oder "Swister" genannt.

Die drei Schwestern im Swistertürmchen bei Weilers

Die drei Schwestern im Swistertürmchen bei Weilerswist

Die drei Schwestern wurden und werden in unserer Region besonders verehrt. Sie tragen die Namen Fides, Spes und Caritas (Glaube, Hoffnung, Liebe). Nach einer Legende trugen diese Namen die drei Töchter der heiligen. Sophia die im Kindesalter unter Kaiser Hadrian (117 - 138 n.Chr.) den Märtyrertod starben. Am 1. August stehen sie auf der Namensliste der Heiligen. Ihre Verehrung hat sich bei uns in Thum bei Nideggen, Sistig (Gemeinde Kall), Kalterherberg (bei Monschau), Brauweiler und Weilerswist erhalten.

Das Swistertürmchen in Weilerswist, 12. Jahrhundert

Bild: Das Swistertürmchen in Weilerswist, 12. Jahrhundert

Weilerswist ist für die Matronenforschung äußerst interessant, da sich hier die ursprüngliche Mütterverehrung in christlich abgewandelter Form bis heute erhalten hat. Unmittelbar bei Weilerswist steht auf einer Anhöhe ein Kapellenturm, der Swistertürmchen genannt wird. Der Bergrücken führt den Namen Gapgey (Gabgey) und erinnert an die Matronen Gabiae, die den ganzen Lauf der Swist entlang verehrt wurden. Bei Ausgrabungen im Jahre 1933 stieß man im Umfeld des Swistertürmchens auf Baureste eines kelto-römischen Tempelbezirks. Man vermutete, dass dort neben dem Standbild einer römischen Gottheit Matronenweihesteine aufgestellt waren. Aus der Größe der Anlage schloss man auf einen Wallfahrtsort. Der Turm gehörte zu einer Kirche aus der fränkischen Zeit, die dem ehemaligen Ort Swist zuzuordnen ist.

Diese Pfarrkirche war Wallfahrtsstätte der drei Swister (Schwestern) Fides, Spes und Caritas. Aus den Nachbarorten pilgerten die Christen zu diesen Wohltäterinnen, die sie um eine gute Ernte, um Schutz für das Vieh und um Hilfe in mancherlei Not anflehten. Die jungen Mädchen erbaten einen guten Ehemann, und die werdenden Mütter erflehten einen leichten Geburtsverlauf. Als die Kirche und der Ort Swist in Kriegswirren zerstört wurden und nur der Kirchturm stehen blieb, pilgerte man zu dem Swistertürmchen. Es lag die Vermutung nahe, dass der Name des Baches Swist und damit auch Weilerswist (der Weiler an der Swist) auf die Verehrung der heiligen Schwestern zurückzuführen sei. Doch wird diese Theorie heute bestritten. Laut Prof. Mürkens ist der Bachname Swist ursprünglich eine germanische Twista. Den Namen Swistertürmchen hat man aber im Volksmund stets mit den Swistern in Verbindung gebracht. Die drei heiligen Mädchen sind heute noch in dem Kapellenturm zu sehen; Standbilder von ihnen stehen auch in der Weilerswister Pfarrkirche.

Am Pfingsttage jeden Jahres wallfahrten Gläubige aus Buschhoven auch heute noch nach Weilerswist. Sie beten in den gleichen Anliegen wie die Pilger vor 2000 und mehr Jahren. So schließt sich der Kreis von der mystischen Mütterverehrung der Urzeit bis zur Heiligenverehrung der Gegenwart.

Fast 2000 Jahre alte Matronensteine, die in Museen (z.B. Landesmuseum Bonn) zu besichtigen sind, und die rekonstruierten Heidentempel in Pesch und Nettersheim (mit Kopien von Weihesteinen) geben uns Gelegenheit, uns mit der Gedankenwelt und den religiösen Vorstellungen unserer Vorfahren auseinander zu setzen.

Quellenangaben


Die Welt der Kelten - Jacques Moreau

Die Kelten - Gerhard Herm

Götter und Mythen der Germanen - R. Derolez

Von Matronen und Weihedenkmälern - Franz Cramer

Der römische Tempelbezirk bei Pesch - Waldemar Haberey

Der Ortsname des Kreises Euskirchen - Gerhard Mürkens

Heimatkalender Euskirchen 1953, 1962, 1964, 1967

Heimatkalender Schleiden 1954, 1956, 1961, 1966

Eifel Jahrbuch Eifelverein 1953, 1956

Eifelvereinsblatt 2/1913, 10/1913, 2/1917

Die Swistgötter - Zwischen Eifel und Ville 6/1957

Fotos: Kreisbildstelle Euskirchen, Heinz-Josef Weingarten