Der Kartstein


Ostern! Die Lerchen begrüßen den lachenden Tag,
Sonne und Jauchzen in Feldern und Hag.
Rufender Glocken gebietender Ton
Löste die Menschheit aus ewiger Not.

Ostern! Und still zu dem Kirchlein hin
Eilt die Gemeinde mit gläubigem Sinn,
Dank in den Herzen und Flehen um Gnade,
Gott möge helfen auf steinigem Pfade.
Über das Tal und hinauf zu dem Wald
"Christus erstand! Alleluja!" erschallt.

Oben am Steine im blühenden Kraut
Klingt durch die Stille ein anderer Laut:
Knöcherne Würfel in ledernem Becher,
Wildes Gefluche frühtrunkner Zecher,
Freches Gesinge und Lästern und Spott
Höhnen der Glocken. Rufen zu Gott.

"Hol dich der Teufel, du Pfaffe im Tal -
Plärr vor Weibern vom Kreuztod und Qual,
Denn der da heut aus dem Grabe erstand,
Hat uns zur Freude das Leben gewandt;
Und zur Befreiung vom Leben, dem harten,
Lässt er uns feiern mit Würfeln und Karten."

Schamlos' Gelächter die Stirne erhebt -
Unten zur Wandlung die Glocke erbebt,
Klagend und mahnend zu Einkehr und Buße -
Antwort von oben mit gellendem Gruße:
"Hole der Teufel das blöde Gebimmel,
Hier ist der Herrgott und hier ist der Himmel."

"Kreuz ist Atout und der Einsatz die Seele."
Frevelnd entfährt es der trunkenen Kehle.
"Partner im Spiele sei einer für drei,
Ruft ihn! Es sei noch der Teufel dabei! -
Einsatz drei Seelen, die drei insgesamt,
Wenn wir verlieren, so sind wir verdammt."

Lauschen die Bäume? Verhält da der Wind? -
Lähmende Stille! Es betet ein Kind
Unten im Tale mit zitternder Stimme:
"Schütz uns Herr vor dem rächenden Grimme!" -
Und aus dem Wald mit hinkendem Schritt
Grinsend ein Mann zu den Spielern tritt.

Lustig Gesellen! Das heiß ich ein Fest.
Das man am Morgen beginnen schon lässt;
Kühne Gesellen, das nenne ich frei,
Ostern zu trotzen der Schandklerisei.
Ich bin dabei, bin von eurem Schlag,
Auf denn zum Spiele, es passt zu dem Tag."

"Kreuz ist Atout und der Einsatz die Seele!
Her mit den Karten. Ein Schluck durch die Kehle!
Herrlicher Spaß ist's., Ihr viel lieben Herr'n
Sah es mein Lebtag doch immer schon gern, -
Wenn um die Seelen die Karten sich schlagen
Wär ich der Teufel, ich hätt Euch' beim Kragen."

"Hier fällt der Bub, und der Stich, der ist mein,
Werft ihr die Sieben, so liegt hier die Neun. -
Holla, Ihr Burschen, nun hebet das Glas,
Mein ist das Spiel, hier liegt Trumpfass! -
Mein sind die Seelen, nun folgt auf der Stelle:
Ich bin der Satan und Euer die Hölle!"

Wild nur ein Schrei und ein schütternder Schlag
Hallt überm Kartstein am sonnigen Tag -
Rufender Glocken gebietender Ton
Mahnet zu danken dem göttlichen Sohn
Und zu erflehen die göttliche Gnade:
Herr, schirme du uns auf steinigem Pfade!

Wild nur ein Schrei und ein schütternder Schlag
Hallt überm Kartstein am sonnigen Tag -
Rufender Glocken gebietender Ton
Mahnet zu danken dem göttlichen Sohn
Und zu erflehen die göttliche Gnade:
Herr, schirme du uns auf steinigem Pfade!

Von Dr. Nahl in Mechernich. In: Eifelvereinsblatt 8/9 1925