Matronenverehrung im Zülpicher Land
Auszug aus Sophie Lange: Wo Göttinnen das Land beschützten, 1994
Eine intensive Besiedlung des Zülpicher Raums durch die Kelten wird durch die dortigen Ortsnamen mit der Endung ich (von acum=Gutshof) bewiesen: u. a Füssenich, Geich, Gessenich, Rövenich, Ober- und Niederelvenich, Wichterich, Nemmenich, Ülpenich, Lövenich, Linzenich, Sinzenich, Irnich, Virnich, Merzenich, Bürvenich, Eppenich und der Zentralort Zülpich. Die keltische Kultur dürfte sich in der Wesensart der Bewohner und in deren Sitten niedergeschlagen haben. Die Ortsnamen dokumentieren gleichzeitig eine kontinuierliche Nutzung dieses fruchtbaren Landstrichs.
Die keltischen Religionsvorstellungen wurden auch hier von den Römern übernommen. Im römischen Tolbiacum/Zülpich mit seinen wichtigen Straßenkreuzungen (Reims-Köln, Trier-Neuß) setzte man den altüberlieferten, aufanischen Schutzgöttinnen genauso eifrig Weihesteine wie in Bonn und in Nettersheim. Doch auch andere Matronen und weitere Göttinnen wurden verehrt. Allein in Zülpich und in den heute zur Großgemeinde gehörenden Orten sind insgesamt 30 Matronen-Weihungen gefunden worden. Dazu kommen noch 20 Weihesteine der Fundstellen, die heute zum Kreis Düren gehören, aber einst sicher im Zülpicher Kultkreis eingebunden waren. Zülpich und das ganze Umfeld scheinen ein regelrechtes Frauen- und Göttinnenland gewesen zu sein. Die Verehrung von männlichen Göttern hat hier kaum stattgefunden. Nur einige wenige Relikte von Jupitersäulen sind geborgen worden. Nun war der Jupiterkult für die im Dienst der Römer stehenden Legionäre aber eher eine Pflichtübung als eine Herzenssache. Auch die Soldaten nahmen ihre Zuflucht zu Göttinnen und nicht zu Göttern. Ganz offensichtlich waren die Dreiergöttinnen die dominierenden heiligen Schutzwesen des ganzen Zülpicher Landes und das bestimmt nicht nur zur Römerzeit, sondern bereits in den Jahrhunderten zuvor.
Zülpich: Matronen und andere Göttinnen
1844 fand man in Zülpich am Münstertor erstmals einen Aufanien-Inschriftenstein.1 An der linken Seite zeigt dieser Stein ein Füllhorn. Aus der verstümmelten Inschrift las man folgenden Text: Aufanis Lentinius Messienus ex imperio, also die Steinsetzung eines Kelten auf Geheiß der Göttinnen. In diesem Lentinius sieht man den Namensgeber des Ortes Linzenich.
1853 entdeckte man beim Bau der Straße von Zülpich nach Kommern am Münstertor einen zweiten Aufanien-Weihestein. Mit diesem rechteckigen Altar lösten Aulus Valerius Verus und Iustinia Ursa ein Gelübde ein. Oben auf dem Altarstein sind zwei Äpfel und eine Birne abgebildet. Ein dritter Aufanienstein, der an den Seiten mit Bäumen geschmückt ist, fand sich ebenfalls in der Nähe des Münstertors. Der Stifter Fuscinius wird mit Füssenich in Verbindung gebracht.
An der gleichen Fundstelle entdeckte man 1844 einen rechteckigen Altarstein für die „Junnonibus domesticis“. Die Junonen sind benannt nach der römischen Göttin Juno, der Gemahlin Jupiters und Schutzgöttin der Frauen. Sie sind den Matronen gleichzusetzen. Soweit zu entziffern, ist dieser Stein von den vicanii Tolbiacenses, den Bewohnern von Tolbiacum (Zülpich), gestiftet, zu Ehren der heimischen Göttinnen und zum Schutz für Heim und Heimat. Zusätzlich fand man 1854 an der gleichen Fundstelle den Torso einer Tonfigur der Juno. Eine weitere kleine Tonfigur dieser Göttin wurde 1844 von einem Zülpicher Bürger dem Provinzialmuseum in Bonn geschenkt.
1846 stieß man ebenfalls am Münstertor auf einen winzigen Votivstein mit der Inschrift Quadrubiae sacrum. Diese „heiligen Vierwege-Göttinnen“, die verschiedentlich in Niedergermanien vorkommen, waren Schützerinnen der Wege und der Kreuzpunkte von vier Wegen. Solche Schutzgottheiten sind zwar nicht identisch mit den Matronen, aber doch nahe verwandt mit ihnen und „in den Kreis der Matronen einzureihen“. Altäre für diese Wegegöttinnen wurden bei der Christianisierung durch Heiligenhäuschen, Bildstöcke oder Kreuze ersetzt.
Die Aufaniensteine sowie der Junonen- und Quadrubiae-Stein – alle in geringer Entfernung voneinander an der Südseite der Stadt gefunden – und die Reste von Säulen, Kapitellen sowie Sockelbruchstücken ließen dort ein Ortsheiligtum oder sogar ein “Hauptheiligtum“ vermuten. Der Tempel war jedoch nicht, wie zunächst angenommen, der „Ursitz“ der aufanischen Matronen (s. Nettersheim/Bonn). Man war sich aber sicher, dass an der Fundstelle sowohl die Römer als auch die Kelten ihre Gottheiten einst verehrt hatten.
Pfarrer Nagelschmitt, in dessen Pastoratsgarten ein Teil der Funde sichergestellt wurde, sagte dazu 1884 in einer Rede: „Nach meiner Meinung befand sich hier schon vor Erbauung des Kastells eine keltische, den aufanischen Matronen gewidmete Kultstätte. Die Verehrung solcher mütterlichen Gottheiten war nämlich überall verbreitet, wo Kelten wohnten oder einmal gewohnt hatten.“2
Als weiterer Fund ist ein Bild-Weihealtar interessant, der den genius loci mit einem Füllhorn und einer Opferschale zeigt. Über seinem Haupt halten zwei geflügelte Genien eine Mauerkrone. Der Altarstein ist zugleich den aufanischen Matronen geweiht, die gemeinsam mit dem Schutzgeist Land und Menschen beschützen sollten. Der Götterstein war zunächst unter dem Münstertor mit der Inschrift nach innen eingemauert. Bei der Restaurierung des Tores wurde er herausgenommen und vor dem Tor in die Umfassungsmauer des Stadtgrabens eingefügt. Der Altertumsforscher Eick machte sich 1867 Sorgen, ob der gute Geist auch von dort seinen Segen spenden konnte: „Unter allen bisher in Zülpich aufgefundenen Inschriften ist diese unstreitig die wichtigste und bleibt nur zu bedauern, dass man den Schutzgott nicht wieder unter sichere Obdach genommen, sondern unbekümmert darum, ob er auch fernerhin sein Füllhorn über die Fluren ausschütten werde, ihm ein Eckplätzchen vor dem Tore angewiesen hat, wo er, dem Wind und Wetter Preis gegeben, bald völlig unkenntlich geworden sein wird.“ 3
Pfarrer Nagelschmitt berichtete 1908, dass dieser Stein einem Privatmann überlassen wurde, „der ihn zur Decke eines Brunnens in seinem Garten am Münstertor verwendete.“ 4
Als man 1856 den Marktplatz in Zülpich neu pflasterte, stieß man an der Nordseite des Platzes auf Gräber, die seitlich mit Matronensteinen eingefasst waren. Wie bei anderen Matronensteinen, die bei Steinsärgen eine Zweitverwendung gefunden hatten, waren auch hier die Inschriften nach innen gekehrt. Es waren jedoch keine aufanischen Matronen genannt, sondern Matronen mit unterschiedlichen Beinamen. Die Votivsteine dürften also von anderen Orten zu dem Gräberfeld nach Zülpich gebracht worden sein.
Einer dieser Steine ist der Matronis Cuchenehis von einem Legionär der Bonner Minerva I gewidmet. In roten Buchstaben heißt es: „L. Marcius, der Sohn des Aetons (einheimischer Name), bescheidener Soldat der I. Minervischen pflichtgetreuen und zuverlässigen Legion, erfüllt gegenüber den cuchenehischen Matronen pflichtgemäß aus gutem Grund freudig sein Gelöbnis.“ Unter der Inschrift ist eine Opferhandlung dargestellt. Ein Soldat legt auf den vor ihm stehenden kleinen Altar eine Opfergabe nieder. Seitlich des Opfertisches stehen die drei Matronen (eine beschädigt). Entgegengenommen wird die Gabe von der jungfräulichen Göttin, dabei hält diese „die Hände im Schoße zusammengefügt und scheint der Opferhandlung des Widmenden ihre ganze Aufmerksamkeit zu schenken“.
An einer Schmalseite ist ein halber Baum zu sehen. Die andere Seite weist Blattornamente(?) auf. Ein zweiter Inschriftenstein des Gräberfeldes in Zülpich ließ Lorbeerzweige erkennen. Der Matronen-Beiname, der stark verwittert war, wurde als Cuchenehis gelesen. Zwei weitere Steine dieser Matronen fand man in Merzenich bei Zülpich.
Der dritte Bildnisstein des Gräberfeldes hat Sextus Candidus Maternus für sich und die Seinen als Einlösung eines Gelübdes den Matronis Vesuniahenis gestiftet. Die Matronendarstellung war nur von den Knien bis zu den Füßen der Göttinnen erhalten, da die Matronensteine auf Grabmaße geschlagen worden waren. Bei der rechts sitzenden Matrone konnte man noch einen Fruchtkorb auf dem Schoß erkennen. Deutlicher sind die Abbildungen auf den Nebenseiten. Die rechte Seite zeigt ein Füllhorn mit Obst und einem Pinienzapfen. An den Seiten des Füllhorns sind fallende Äpfel eingemeißelt. Das untere Ende des Füllhorns „krümmt sich zierlich um eine große rechts gelegene Kugel“. Auf der linken Seite wächst ein Füllhorn aus einem Blätterzweig, auf dem „ein großer Vogel mit rückwärts gebogenem Kopfe“ sitzt. Er wurde 1857 als Rabe oder Krähe gesehen. Da aber spätere Funde einen solchen Vogel eindeutig als Kranich kennzeichnen, dürfte es sich auch hier um diesen Vegetationsvogel handeln. Der rückwärts gebogene Kopf (ebenfalls auf anderen Matronensteinen zu sehen) kann möglicherweise die keilartige Flugformation dieser Zugvögel darstellen. Der Name Vesuniahenis wird auf Vettweiß bezogen. In Vettweiß, Wollersheim und Embken (Kreis Düren) fand man zahlreiche Weihesteine an diese Göttinnen.
Im Juli 1951 stieß man bei Ausschachtungsarbeiten im alten Friedhofsbereich Meersburden (Martinsbauernschaft), nahe der alten Römerstraße Zülpich – Köln (Ecke Römerallee/Dreikönigsweg), auf Gräber aus der Römer- und Frankenzeit. In einem Ost-West ausgerichteten Doppelgrab aus der Frankenzeit, dass mit starken Rotsandsteinplatten eingefasst war, fand man zwei übereinander liegende Skelette. Die Köpfe der beiden Toten waren auf einem Matronenstein gebettet. Die Bildnisse der Göttinnen waren erhalten, die unteren Teile mit den Inschriften abgeschlagen. 5
Die Verwendung von Matronensteinen als Teile von Steinsärgen hat unterschiedliche Bewertungen hervorgerufen. Einerseits wird diese Zweitverwendung als praktische Nutzung gesehen, andererseits glaubt man, darin einen Sinn zu erkennen. Da die Inschriften oder Bildnisse fast immer zum Sarginnern gewendet sind, scheint man die Steine doch sehr bewusst als Grabsteine benutzt zu haben. Es sei darauf hingewiesen, dass Matronen in ihrem Aspekt der Fruchtbarkeit nahe mit dem Totenkult verbunden sind. Die Datierung der Begräbnisstätten mit Matronensteinen macht einige Schwierigkeiten. Man ist sich meist nicht sicher, ob die Verstorbenen bereits Christen waren. Gerade das Zülpicher Grab mit der Lagerung der Köpfe der Toten auf dem Matronenstein kann als eine weitere, vielleicht heimliche Verehrung der Matronen angesehen werden, möglicherweise zur Übergangszeit zum Christentum, also bei der „Heidenverfolgung“, als eine offene Verehrung dieser Schutzgöttinnen nicht mehr möglich war.
In Zülpich hat sich in der Volksüberlieferung die Erinnerung an einen Heidentempel bewahrt: „Nach einer alten Ortstradition hat ein heidnischer Tempel an der Stelle gestanden, wo jetzt die Peterskirche steht.“ 6
Das Chörchen der Krypta soll auf jeden Beschauer den Eindruck gemacht haben, dass die Krypta aus einer früheren Zeit herstamme. Die Hypothese, dass es sich um einen Marstempel gehandelt haben könnte, bestätigte sich jedoch nicht. Vielmehr fand man im alten Kryptaeingang vermauert die Schmalseite eines Matronensteins, auf der ein Dreifuß (Opfertisch?) abgebildet ist. Darauf steht eine Schale mit Äpfeln.
Zülpich-Hoven:
Göttinnentempel und Frauenkloster
Das Kloster Marienborn in Hoven bei Zülpich steht auf geschichtsträchtigem Boden. Im Jahr 1188 zogen Zisterzienserinnen von St. Thomas an der Kyll nach hier, um eine Niederlassung zu gründen. Vom Mittelalter ist von strenger Klausur und eifrigem Tugendstreben, von innerem Glück und tiefem Frieden, von guter Gesinnung trotz äußerer Bedrängnisse im „Kloster der Gerechten“ die Rede. 1804 wurde das Kloster innerhalb der Säkularisierung aufgelöst, kam in Privatbesitz und wurde später von den Cellitinnen aus Köln übernommen. Heute werden in den Krankenanstalten „Marienborn“ alte und psychisch kranke Menschen behandelt und betreut. 7
Dass Hoven bereits seit fast zweitausend Jahren ein Frauenplatz ist, zeigen Göttinnensteine in der Klosterkapelle. Zur Römerzeit gab es im Bereich des Klosters Marienborn bereits eine Siedlung. Auch dort wurden die Matronen verehrt. Zwei Inschriften der Matronae Sait(c)hanniae kamen in der dortigen Klosterkirche im Mai 1889 bei der Wegnahme des alten Verputzes zum Vorschein. 8
Beide Steine befinden sich im Altarbereich, links am Eingang des Chores bzw. neben dem Triumphbogen und können heute noch betrachtet werden. Die Stifter tragen germanische Namen und auch der Beiname der Matronen ist germanisch. Als Sinnname wurde er mit „die gegen bösen Zauber Schützenden“ übersetzt. Als topischer Name wurde er mit Sechtem bei Bonn in Zusammenhang gesehen. Auf einem in der dortigen Pfarrkirche 1973 gefundenen Matronenstein war der Inschriftenteil, der vielleicht eine Klärung gebracht hätte, nicht erhalten.
Vorne rechts im Chor der Hovener Klosterkirche, schräg gegenüber der Matronensteine, war man bereits im Oktober 1888 auf eine römische Inschrift gestoßen. Der Stein wurde „von der ihn ganz bedeckenden Tünche und den Resten mehrmaliger Übermalung mit großer Mühe“ 9 gereinigt und die Schrift lesbar gemacht, die sich als „außerordentlich sorgfältig und schön gearbeitet“ erwies. Ans Tageslicht kam eine Tempelweihung für die dea Sunuxalis. Die Bauinschrift besagt, dass zur Zeit des Kaisers Gordian um 239 n. Chr. Probia Iustina den Tempel zu Ehren der Göttin für ihren Sohn neu errichten ließ.
Sunuxal (verschiedene Schreibweisen) war die Stammesgöttin der Sunuci, deren Wohngebiet westlich an das Ubierland grenzte. Man nimmt an, dass Zülpich ursprünglich von den Sunucis bewohnt war und in römischer Zeit den Ubier zugeteilt wurde, wobei die Trennungslinie dieser beiden Volksstämme zwischen Zülpich und Hoven verlief. Im Mittelalter schied hier eine Grenze das Kurfürstentum Köln und das Herzogtum Jülich. Heute ist Hoven der Stadt Zülpich eingemeindet.
Im von Hoven fünf Kilometer entfernten Embken (Kreis Düren) fand man 1848 an der „Gödesheimer Burg“ innerhalb eines Gräberfeldes neben neun Votivsteinen der Matronis Veteranehis ebenfalls einen Weihestein an die dea Sunuxal. Im nahen Wollersheim, wo man am Pützberg auf 40 fränkische Gräber mit drei Steinen der Matronen gleichen Namens wie in Embken stieß, wurde auf den Feldern ebenfalls ein Altärchen der Göttin Sunuxal freigelegt. Ein weiterer Weihestein dieser Stammesgöttin wurde 1908 zwischen Heimbach und Vlatten entdeckt. Dieser Stein zeigt an beiden Schmalseiten Bäume. An der Inde bei Eschweiler/Aachen stellte man ebenfalls einen Sunuxal - Weihestein sicher. Ein gemeinsamer Tempel der Göttin Sunuxal und der Ortsgottheit Varneno aus dem 2./3. Jahrhundert wurde 1910 bei Kornelimünster freigelegt und 1989 rekonstruiert.
Die Matronensteine und die Sunuxal – Tempelweihung sprechen für eine intensive Verehrung von Göttinnen im Bereich des späteren Frauenklosters. Sicher ruht in Hoven – wie überall im Zülpicher Land – noch mancher Matronenstein im Schoß der Erde. Wer die Kapelle im Kloster Marienborn besucht, sollte nicht versäumen, die „Hovener Madonna“ zu betrachten. Diese romanische Figur aus der Zeit von 1170/80 hat in ihrer thronenden Haltung viel Ähnlichkeit mit den Matronen der vorchristlichen Zeit.
Geich und der Eulenberg bei Juntersdorf
In dem zwischen Zülpich und Füssenich liegenden Dorf Geich wurden im Herbst 1854 in einem Garten in Richtung Zülpich nebst „einer großen Masse von Ziegeln in allen Formen auch mehrere Urnen und andere Gefäße“ ausgegraben. Dabei stieß man auf einen Matronenstein, den ein Erbe nach der testamentarischen Verfügung eines anderen hatte anfertigen lassen. Der Votivstein, dessen Verbleib unklar ist, trug den Matronenbeinamen Ulauhinehis.
Der Name wird als germanisch angesehen und mit „die für den Eulenhain Zuständigen“ übersetzt. Auf der Tranchotkarte (1801-1813) ist der Eulenberg als Hulenberg eingezeichnet. Bei Sinzenich gibt es ebenfalls einen Eulenberg, dem sich in Richtung Schwerfen der Görresberg (Gottesberg?) anschließt, der auf der Tranchotkarte mit Heydenberg eingetragen ist. Ein weiterer Eulenberg, der Beachtung verdient ist der Eulenberg bei Urfey/Weyer (s. Weyer)
Plätze, die den Flurnamen „Eule“ tragen, werden gerne als alte Kulthaine betrachtet. Allerdings hat die Bezeichnung nichts mit der Eule zu tun, obwohl dieser Vogel der Weisheit das heilige Tier von Göttinnen war, zum Beispiel der griechischen Göttin Athene, der römischen Göttin Minerva und der keltischen Göttin Rigani. Abgeleitet werden können Eulennamen viel eher von dem germanischen Wort alah=heiliger Hain, geweihte Stätte. Die Ulauhinehae wären somit die Göttinnen von einer bestimmten Kultstätte.
Obwohl nur dieser eine Matronenstein in Geich gefunden wurde, muss die Matronenverehrung in diesem Gebiet groß gewesen sein, denn die Göttinnen spuken
äufig in ihrer Sagengestalt als Juffern dort herum.
Oberelvenich und der Rotbach
In Oberelvenich fand man 1870 vier „arg verstümmelte“ Matronensteine, die 1862 durch die Vermittlung eines „Kölner Althändlers“ ins Bonner Provinzialmuseum gelangten. Die Votivsteine zeigten einen neuen Matronenbeinamen: Albiahenis. 10
Auf einem stark beschädigten Weihestein sind die drei Göttinnen „auf einer steinernen Ruhebank sitzend“ in der üblichen Tracht zu sehen. Sie tragen Halsreifen mit Lunula. Die Fruchtkörbe auf dem Schoß sind mit Äpfeln, Birnen und weiteren Früchten gefüllt. Die rechte Seitenfläche schmückt eine zierlich gearbeitete Arabeske von Blättern und Blumen, über der eine Schüssel mit drei Obstfrüchten (Äpfeln?) angebracht ist. Aus der stark verstümmelten Inschrift las man heraus, dass der Weihestein von zwei Frauen namens Iustina und Vera Terentiae gestiftet worden war: Matronis Albiahenis Terentiae Iustina et Vera VSLM.
Ein zweiter Stein aus Oberelvenich zeigt nur Bruchteile des Matronenbildes. Von einem dritten Altar der Matronae Albiahenae hat lediglich das stark bestoßene Oberteil mit einer Inschrift die Jahrhunderte überdauert. Ein Inschriftenstein ist von zwei Stiftern mit den keltischen Namen Lucillius Dagionius und Firmanus Dagionus gestiftet worden. Die linke Schmalseite ist abgeschlagen, die rechte zeigt ein Füllhorn.
Die Fundstelle ist in den Bonner Jahrbüchern mit „im sogenannten Heidenfelde“ angegeben. Ein sogenanntes Heidenfeld gibt es in Oberelvenich aber nicht, wie bereits im Jahr 1907 festgestellt wurde. Trotzdem wurde das „sogenannte Heidenfeld“ getreulich übernommen.
In dem Beinamen Alibiahenae dieser Matronen sieht man einen Bezug zu der Fundstelle und dem Ortsnamen Elvenich. Diesen führt man zurück auf den gallischen Personennamen Albinus und ein Heim dieses Mannes, das als Albiniacum bereits 855 urkundlich erwähnt ist. Der Personennamen kann mit der Silbe alb zusammenhängen, die bei vielen alten Fluss- und Ortsnamen vorkommt (Elbe, Elven, Olpe). So wären die alibiahenischen Matronen „die vom Fluss“. Mit dem „Fluss“ kann nur der 39 km lange Rotbach gemeint sein, der durch Oberelvenich fließt. Dieser entsteht bei der Eickser Mühle aus dem Mühlen- und dem Bruchbach, streift die Orte Schwerfen, Sinzenich, Linzenich Lövenich, Nemmenich, Lüssem, Ober- und Nieder-Elvenich, Mülheim (wo er den Bleibach aufnimmt), Wichterich, Niederberg, Friesheim, Ahrem und Lechenich. Nördlich von Erftstadt - Dimerzheim (südöstlich von Gymnich) mündet der Rotbach in die Erft.
Der Name Rotbach ist erst neueren Datums und beruht auf einer braunrötlichen Färbung, die das Wasser nach starken Regenfällen infolge des rötlichen, eisenreichen Erdreiches annimmt. Die ursprüngliche, wahrscheinlich vorkeltische Bezeichnung für den Rotbach ist Varavana (Var-ava= sich dahin wälzendes Wasser), die sich zu Vervena entwickelte. Der Rotbach, dessen Lauf in alter Zeit viel gewundener war, hieß bei den Franken Wervena (drehendes, Strudel bildendes Wasser) und später Werfe. Dieser Name spiegelt sich noch im Ortsnamen Schwerfen wider.
Einen direkten Namensbezug zu den albiahenischen Matronen ergibt sich nicht, jedoch war der Rotbach ein regelrechter Begleiter der Matronenverehrung im Zülpicher Land. Der Bach wird an besonderen Festtagen aufgesucht worden sein und spendete für Reinigungs- und Heilungskulte das notwendige Wasser.
Rövenich: Die Geberinnen von guten Gaben
Zu den verloren gegangenen Matronensteinen müssen vier Weihesteine gezählt werden, die in Rövenich (Rubiniacum = Gut des Kelten Rubinius) „im gesegneten Flachland des Zülpich-Gaues“ gefunden wurden. Die Fundstelle wird in der Nähe der alten Römerstraße vermutet. Das Datum der Auffindung ist nicht bekannt, liegt jedoch vor 1897. Es wird angenommen, dass die Altarsteine von den Franken nach Rövenich verschleppt wurden. Dagegen spricht allerdings, dass alle vier Denkmäler den gleichen Matronen - Beinamen tragen: Gabiae. Dieser ist auch von anderem Fundmaterial belegt. Ein Soldat der Minerva I stiftete an die „Matronis Gabiabus“ einen Weihealtar, der in der Nähe des Römerkanals bei Kirchheim/Euskirchen gefunden wurde. Ein anderer Gabiaestein wurde in Müddersheim (Kreis Düren) zu Tage gefördert. Auch die Matronen, deren Weihestein in Rohr bei Blankenheim entdeckt wurde, heißen eventuell Gabiae. In Köln wurde ein Weihestein mit Widmung freigelegt, auf dem Gabiae gemeinsam mit den Junonen genannt war: Junonibus Gabiabus. 1919 fand man in Lützermiel (Kreis Rheinbach) in einem Brunnen den Rest eines Altars der Matronae Gabiae.
Diejenigen Wissenschaftler, die versuchen, die Matronen – Beinamen als Sinnnamen zu erklären, sehen die Gabiae als die Gebenden von guten Gaben (abgeleitet von dem germanischen Wort gaba=geben). Welche gute Gaben mögen die Gabiae den Menschen geschenkt haben: Gesundheit, Glück und ewiges Leben?
Einen Matronentempel der Gabiae vermutete 1917 Prof. Hürten aus Münstereifel in der Nähe von Brühl: „Bei Brühl gibt es nämlich eine Straßenbezeichnung, die Gabjä, die mit dem Namen Gabiae in geradezu auffallender Weise übereinstimmt. Die so bezeichnete Straße geht über das Vorgebirge von Brühl nach Liblar und an dem Braunkohlenwerk „Grube Brühl“ vorbei, an dessen Stelle vor 40 Jahren eine einfache Grube mit Handbetrieb war, die man „An den Dreimären“ nannte, ein Name, der auch heute noch bei den Arbeitern der Grube Brühl gebräuchlich ist. Nun ist das Wort „Mär“ im Klange ganz gleich dem französischen Worte für Mutter, und demnach dürften die Dreimären die drei Mütter oder Matronen sein, die ehedem an dieser Stelle verehrt wurden und zu deren Heiligtum die eben genannte Gabjästraße führte.“ 11
Von dem nördlich von Rövenich gelegenen „Siechhaus“, wo man mehrere Tränenkrüglein, Tonlämpchen und römische Münzen fand, wird angenommen, dass dort zur Römerzeit die letzte zu Zülpich gehörende Signalstation gewesen sei. Zum dortigen Johanniskapellchen kamen bis zum Jahr 1860 viele Pilger, brachten Wachs als Opfergabe und wurden mittels einer Zündwachsschnur, die um den Kopf gelegt wurde, von Kopfschmerzen befreit, „je nach dem Grade des Leidens ein- bis dreimal herum.“ 12
Der Hauptpilgertag war der Johannistag (Sommersonnwende), der „seit Jahrhunderten“ in der ganzen Gemeinde Rövenich als gebotener Feiertag gehalten wurde.
Manchmal weisen Plätze, an den über Jahrhundert hinweg Menschen Heilung suchten, auf vorgeschichtliche Kult- und Heilplätze hin. Leider schweigen die drei Juffern, die am Siechhaus öfter zur Nachtzeit herum spuken, zu der Frage, ob „Am Siechhaus“ einst eine Kultstätte der Matronae Gabiae war.
Enzen, Linzenich, Lövenich und der Schievelsberg
Der Schievelsberg, in der Nähe von Linzenich und nicht weit von Lövenich entfernt, übt auf Wanderer und Wanderinnen eine magische Anziehungskraft aus. Dort war einst eine Malstätte, eine Gerichtsstätte. 1394 gehörten zum Bezirk des Landgerichtes Schievelsberg 14 Dörfer. Gericht wurde im Freien gehalten und Todesurteile gleich an Ort und Stelle vollzogen. Kein Wunder, dass es manchem dort nicht ganz geheuer vorkommt.
In einer Sandgrube am Schievelsberg fand man im Herbst 1874 ein aus Sandsteinen zusammengesetztes fränkisches Grab. Eine Steinwand entpuppte sich als eine von einem Matronenaltar abgespaltene Platte, die in Zweitverwendung als Grabwand gedient hatte. Der Stein trug folgende Inschrift: Matronis Hiheraiis M(arcus) Antonius Hilario VSLM. Allerdings war man sich bei einigen Buchstaben nicht ganz sicher. Auf den beiden schmalen Seitenflächen war je ein Baum im Relief eingemeißelt.
Die Deutung des Beinamen Hiheraiis macht wieder Schwierigkeiten. Er kann mit dem nahe der Fundstelle gelegenen Dorf Irnich (Iihrnich ausgesprochen), der Burg Irnich oder dem Irnicher Berg zwischen Sinzenich und Floisdorf zu tun haben. Nach Aussagen von Ortsbewohnern (1950) wurden am Irnicher Berg an der Ostgrenze der Gemarkung Floisdorf ebenfalls Steinplattengräber gefunden.
Da die Fundstelle am Schievelsberg damals zur Gemeinde Enzen gehörte, wurde der Matronenstein als „römischer Matronenstein zu Enzen“ katalogisiert, obwohl die Fundstelle ebenso gut Lövenich zugeordnet werden kann.
In Enzen wurden wiederholt römische Funde aufgedeckt. 1850 stieß man auf dem Kirchhof auf einen Gang von etwa 5 m Länge und einen ummauerten Raum. 1898 entdeckte man an der gleichen Stelle einen unterirdischen Gang, der ebenfalls in diesen Raum führte. Man glaubte, hier „höchstwahrscheinlich“ einen Wachturm mit einem Fluchtweg gefunden zu haben.
Bekannt geworden ist Enzen durch das 1663 aufgefundene sogenannte „Königsgrab“ und einen weiteren Steinsarg, der 1811 freigelegt wurde. Ein 1977 in der Nähe der Enzener Kirche gefundener Sarkophag erzählt durch reiche Schmuckbeigaben von der Bestattung einer Frau im Jahre 356 n. Chr., die vielleicht Nonula hieß, denn dieser Name war auf einem kleinen Löffel eingraviert.
1980 entdeckte ein Schüler in der Gemarkung Enzen das Oberteil eines Matronenaltars am Rand eines Waldstücks in einem Lesesteinhaufen, auf den Bauern die Steine von den Äckern geworfen hatten. Dieser Weihestein ist wie folgt erklärt: „Der genaue Herkunftsort und weitere Fundzusammenhänge ließen sich nicht ermitteln. Die erhaltenen Maße betragen 24 x 28 x 18 cm. Die Patera zwischen den Pulvini, Baumdarstellungen auf den Schmalseiten sowie drei Zeilen der Schriftplatte sind gut erhalten: Matronis M(arcus) Chanari f(ilius) et Allo. 13
Auch Linzenich steht auf historischem Boden. An der dortigen Burg vermutet man ein römisches Kastell oder einen Wachtturm. Anfang des 19. Jahrhunderts wurden zwischen Linzenich und Lövenich auf dem „Kamp“ am rechten Ufer des Rotbaches, der in der Nähe von Linzenich den Marienbach aufnimmt, römische Grundmauern und zwei Grabinschriften entdeckt. Im April 1890 stieß man in Linzenich bei Anlegung einer Sandgrube auf 30 Skelette, 25 römische Tongefäße, ein Schwert und fünf Glasgefäße. Die Sage weiß von einer bedeutenden Römerschlacht am Schievelsberg und der angrenzenden Schievelheide. Die beiden aus der Keltenzeit stammenden Dörfer Linzenich (Lentiniacum)
nd Lövenich (Lupiniacum) sind „Zwillingsdörfer“, getrennt durch den Rotbach.
In Lövenich erzählt die Volksüberlieferung, dass die nach Ost-West ausgerichtete Kirche ursprünglich ein Heidentempel war. Die „heidnische Cultusstätte“ sei bei der Christianisierung in ein christliches Gotteshaus umgewandelt worden. Für eine frühe christliche „Römerkapelle“ spricht das Patrozinium der römischen Jungfrau Agnes, die nach ihrem Märtyrertod im Jahre 304 große Verehrung bei den ersten Christen genoss. 14
Die kleine Kapelle war ein Fachwerkbau. Nach 1210, zur Zeit des seligen Priesters Joseph von Lövenich, wurde diese zu einer Steinkirche umgebaut und ein Mittelschiff, ein südliches Seitenschiff und ein Turm angebaut. Die ursprüngliche Kapelle blieb als nördliches Seitenschiff bestehen. Direkt an der Kirche errichtete sich der Priester eine kleine Zelle, um „allzeit bei dem heiligen Sacrament“ wohnen zu können. Während einer Dürrezeit soll er eine Quelle aufgezeigt haben.
Im September 1873 stieß man bei der Abtragung des Friedhofs auf die Apsis der alten Kapelle, die eindeutig römisches Gussmauerwerk, römische Ziegeln und römische Bauart aufwies. 15 Da die Römer für ihre Tempel bereits bestehende Kultplätze übernahmen, wäre ein vorrömischer Kultplatz (Matronen?) in Lövenich nicht ausgeschlossen.
Sinzenich und Thum: Göttinnen und Heilige
Das Dorf Sinzenich (Sentiacum) liegt da, „wo der Rotbach das Wiesengelände nördlich der Eifel verlässt und sich dem fruchtbaren Ackerboden der Euskirchener Ebene zuwendet.“ 16
1805 war man bei Erdarbeiten für die Erweiterung der Papierfabrik Lützenkirchen am Rotbach auf einen Matronenaltar aus rotem Sandstein gestoßen. Der Grundstückseigentümer schenkte den Votivstein dem Bonner Provinzialmuseum. Der Stein hatte eine Höhe von 71 cm, eine Breite von 46 cm und eine Tiefe von 17 cm. Auf dem Rest des Giebels war eine Abbildung, die man als Tellerchen deuten konnte, auf das Opfergaben hingelegt werden konnten. Als Stifter war ein Gaius Fabronius Gallicanus „in ziemlich schlanken und wenig tief eingehauenen Schriftzügen eingeritzt.“ Mit der üblichen Floskel VSLM gab er die Einlösung eines Gelübdes bekannt.
Der Name der Göttinnen lautet Matronae Tummaestae. Im Fundbericht von 1897 heißt es dazu: „Der Name der Matronen ist neu. Dass er einen topischen Charakter hat, wird wohl niemand nach dem Stande der Forschung über die Bedeutung der Matronennamen mehr in Zweifel ziehen, wenngleich es auch noch nicht hat gelingen wollen, für alle bis jetzt bekannten Beinamen den jedes Mal zu Grund liegenden Ortsnamen überzeugend nachzuweisen. Für den Ursprung dieses Namens mag es vielleicht nicht unnütz sein, an den in der Umgebung des Fundortes liegenden Ort Thum zu erinnern, an dem eine nach Zülpich führende Straße vorbeiging.“17 Mündliche Überlieferungen berichten, dass einst die Tummaestae ihr Heiligtum an der Stelle der Thumer Dorfkirche hatten.
In Thum bei Nideggen (Kreis Düren) werden die drei heiligen Jungfrauen Fides, Spes und Caritas verehrt. Ihre Statuen stehen in der dortigen Kirche. Thum war ein beliebter Wallfahrtsort. Selbst weit aus der Eifel kamen die Menschen betend zu diesem alten Ort der Göttinnen und Heiligen, um dort Hilfe oder Heilung zu finden. Bis heute werden die drei heiligen Jungfrauen von kinderlosen Eheleuten um Kindersegen gebeten. Bei Kinderkrankheiten können sie genauso helfen wie bei Viehseuchen.
Reich ist der Legendenschatz von Thum. In einer Überlieferung wird die Entstehung des Drei-Jungfrauen-Kults wie folgt erzählt: „Einst herrschte in Thum und der ganzen Umgegend eine pestartige Krankheit unter dem Vieh. Da erschienen in Thum drei unbekannte Jungfrauen. Sie wanderten bis Ginnick zum „Kruschen Boom“ (krauser Baum) und kehrten wieder nach Thum zurück. Die Krankheit ließ nach. Woher die drei kamen und wohin sie sich später wandten, weiß man nicht. Da baute man zu Ehren der drei Jungfrauen in Thum eine Kapelle und stellte die Statuen am Altare auf.“ 18
Ein anderes Mal herrschte in Thum eine Seuche, an der viele Menschen starben. In der großen Not trug man die Statuen der drei Jungfrauen durchs Dorf. Von diesem Tag an ließ die Seuche nach. Zum Gedenken hat man bis vor Jahren einmal jährlich die Heiligenstatuen in einer Prozession durch das Dorf getragen. Auch Menschen von Nachbarsorten nahmen die Heilkräfte der Jungfrauen von Thum in Anspruch.
Wie am Beispiel Nettersheim und Zingsheim „Aufaniae und Fachinehae“ aufgezeigt, fällt bei den tummaestischen Matronen die Silbe „tum“ auf, die bei den im nahen Floisdorf verehrten Matronen Textumeis als zweite Silbe auftaucht. Auch hier kann diese Silbe auf ein angrenzendes, nachbarliches Schutzgebiet der Matronen hinweisen, das vielleicht ebenfalls mit Thum zu tun hat.
Floisdorf: Die südlich Wohnenden
Das Dorf Floisdorf gehört zur Stadt Mechernich. Von dem dortigen Tötschberg hat man einen weiten Blick über das ganze Zülpicher Land. Hier wurden zu unterschiedlichen Zeiten römische Funde und Relikte von Matronensteinen freigelegt. Heute ist der Tötschberg durch die Hubertuskapelle, die am 15. Mai 2005 eingeweiht wurde, ein besonderer Anziehungspunkt. 19
Im Frühjahr 1856 wurden „nordwestlich des Dorfes Floisdorf und nur einige Minuten davon entfernt auf der nach Berg streichenden Höhe“ (Osthang des Tötschbergs) mehrere Gräber aufgedeckt. Die Grabbeigaben wurden von den Findern beschädigt, darunter auch der Schmuck aus einem Frauengrab. Einen silbernen Halsreifen hatten vier Arbeiter unter sich aufgeteilt. Wie eine Rekonstruktion ergab, bestand die Kette aus mehreren silbernen Stäbchen, die miteinander verbunden waren: „Die einzelnen Stäbchen sind so gebildet, dass von einem in der Mitte befindlichen rautenförmigen Knotenpunkt nach beiden Seiten hin zwei Drähte auslaufen, von denen der eine um den andern gedreht wurde und die sich an beiden Seiten zu einem Auge vereinten.“ 20 In der Nähe des Handgelenks des Skeletts lagen Perlen und Korallen aus Ton, die auf einen Armschmuck schließen ließen.
Die Gräber waren aus großen Sandsteinplatten zusammengesetzt. Eine solche Platte (81 cm hoch, 58 cm breit, 12 cm dick) war ein Inschriftenstein, der eine Weihung an die Textumehischen Matronen enthielt. Die Schrift zeigte zum Grabesinneren. Drei Stifternamen mit gemeinsamen Familiennamen, vielleicht Geschwister, waren genannt: Tertinius Similis, Tertinius Secundus, Tertinia Lella. Die beiden Seitenflächen waren je mit einem Lorbeerzweig geziert.
Reste eines Weihesteins an diese Göttinnen fand man wie bereits erwähnt in Zülpich. Einen anderen Stein der gleichen Göttinnen entdeckte man 1850 in einem Grab in Soller „auf dem sogenannten Dinsel“. Auf der linken Schmalseite war ein dreibeiniges Tischchen eingemeißelt, auf dem eine schlanke einhenklige Kanne stand, darüber undeutliche Früchte oder Blumen.
Der Matronename Textumehae ist germanisch und auch ihm wird die Stellenbezeichnung einer Siedlung zugrunde gelegt. Die textumehischen Matronen werden als Göttinnen gesehen, die „die südlich Wohnenden“ beschützten, also die Menschen die südlich von Zülpich oder aber südöstlich von Thum angesiedelt waren. Wenn man einmal intensiv in die Silben „Text“ von Textumehae und „Tötsch“ von Tötschberg hinlauscht, findet man durchaus eine klangliche Ähnlichkeit.
An der gleichen Stelle am Tötschberg bei Floisdorf wurde wenig später ein weiterer Matronenstein freigelegt. Die Schrift war verwittert. Man ergänzte wie folgt: Matronis Abiamar C. Julia Procula SLM. Der Altertumsforscher Eick sah in dem Matronenbeinamen einen Bezug zur Achemer Mühle zwischen Floisdorf und Bürvenich.21
1944 stieß man westlich des Tötschbergs, nördlich des Dorfes Berg, beim Ausheben von Schützengräben auf einen fränkischen Bestattungsplatz. Nachgrabungen im Jahr 1947 legten elf Gräber frei. Bei einem Grab fand sich das Bruchstück eines Matronensteins, auf dem eine Opferszene mit zwei Personen von einem Altar dargestellt ist. 22
1950 wurde am östlichen Abhang des Tötschbergs beim Pflügen ein Steinplattengrab angeschnitten und entfernt. Ein Hinweis auf einen Matronenstein fand sich nicht. 23
1991 wurde erneut in Floisdorf gegraben: „Aufgrund einer Raubgrabung, die dem Fachamt aus dem Ortsteil Floisdorf bekannt geworden war, wurde ein fränkisches Gräberfeld zwischen Floisdorf und Schwerfen am Irnicher Berg eingemessen. Auf dem ersten Planum des Plattengrabes lagen die teilweise zerbrochenen Teile von ursprünglich vier Abdeckplatten aus Buntsandsteinen, die von den Raubgräbern zurückgebracht worden waren. Darunter kam das ausgeräumte Grab zum Vorschein.“ 24 Matronensteine fand man nicht; ob Weihesteine jedoch vorher beiseite geschafft wurden, blieb unklar.
Am sogenannten „Jufferpötzche“ (Juffernbrunnen) an der Berger Burg, am Fuße des Tötschbergs, geistern nachts die Juffern. Oftmals wuschen sie dort ihre Kleidung. Ein weißes Tuch „zoppten“ sie immer wieder ins Wasser. Selbst dem Pfarrer des Ortes, der den Glauben an die Juffern niederhalten wollte, sah schließlich die Juffern und musste zugeben, dass die Frauen am Jufferpötzche bei Floisdorf ihr angestammtes Matronen-Zuhause haben und hier augenscheinlich ihr Element Wasser nutzen und hüten.
Merzenich: Die chuchenehischen Matronen
Der Name Merzenich weist in die gallo-römische Zeit. Es stammt von Marciniacum = Gutshof des Marcinius. In Merzenich, das sich in den letzten Jahres einen Namen durch seine schönen Obstwiesen gemacht hat, fand man 1910 als Steinumstellung von Gräbern zwei Weiheinschriften an die chuchenehischen Matronen. Die Fundstelle liegt am nordöstlichen Ortsrand von Merzenich in der Nähe der alten Römerstraße. 25
Einmal handelt es sich um eine vollständig erhaltene rechteckige Platte mit einer Inschrift, nach der Tutus Verancius Amandus ein den Göttinnen gegebenes Gelübde einlöste. Ein weiterer Fund bestand aus drei Bruchstücken einer rechteckigen Platte.
Der Name Chuchenehis, der in unterschiedlichen Schreibungen vorkommt, ist nicht eindeutig zu übersetzen. Als Sinnname fand man das germanische Wort hauha = hoch, wonach diese Matronen die „Hochmögenden“ wären.
- Max Ihm: Der Mütter- oder Matronenkultus und seine Denkmäler. In: BJ 83, 1897, Seite 1 – 200
- Oberpfarrer H. Nagelschmitt: Zülpich unter römischer Herrschaft, Vortrag vom 22.10.1844. In: BJ 44, 1885, Seite 131
- Eick: Die römische Wasserleitung aus der Eifel nach Köln, Bonn 1867, Seite 98, Anmerkung 1
- Oberpfarrer Heinrich Nagelschmitt: Zülpich unter römischer Herrschaft. In: Zülpicher Zeitung vom 28. 01.1909
- Vgl. Waldemar Haberey: Spätrömische und frühmittelalterliche Gräber an der Römerallee in Zülpich. In: BJ 157, 1957, Seite 309
- Oberpfarrer Heinrich Nagelschmitt: Zülpich unter römischer Herrschaft. In: Zülpicher Zeitung vom 5.12.1908, Seite 20
- Sophie Lange: Wohin mit „unnützen“ Witwen und „überzähligen“ Töchtern: In Kreis Euskirchen Jahrbuch 1990, Seite 102?“
- Josef Klinkenberg: Zwei Matronensteine aus Hoven bei Zülpich. In: BJ 89, 1890, Seite 231
- Dr. Klinkenberg: Weiheinschrift aus Hoven bei Zülpich, in:Bl 87, 1889, Seite 913
- J. Freudenberg: Neue Matronensteine und andere Inschriften, in: BJ 33/34, 1863, Seite 192
- Professor Hürten in Münstereifel: Die Matronenverehrung in der Eifel zur Zeit der Kelten. In: Eifelvereinsblatt Februar 1917, Seite 22
- P- Simons. Rövenich, Geschichte der Zivil- und Pfarrgemeinde. In: Unsere Heimat, Beilage zum Euskirchener Volksblatt, 1. 8. 1929, Seite 83
- Ausgrabungen und Funde. In: BJ 184, 1984, Seite 626
- F.J. Habitz: Lövenich. In: Unsere Heimat im Wandel der Zeiten, 11.2.1962
- Pfarrer Johann Peter Zaun: Geschichte der Pfarre Lövenich bei Zülpich sowie der Burgen Linzenich, Lövenich und Dürfenthal, Köln 1895, Seite 104
- Robert Maercks. Die Herrschaft Sinzenich. In: Sinzenich-Sentiacum, 1990, Seite 60
- Klein: Matronenstein aus Sinzenich. In: BJ 101, 1897, Seite 184
- Gottfried Henßen: Sagen, Märchen und Schwänke des Jülicher Landes,
Bonn 1955, Nr. 298 f
- www.floisdorf.de
- A.Eick: Matronensteine aus Zülpich und Floisdorf. In: BJ 23, 1856, Seite 73
- A. Eick: Neue Inschriften aus Floisdorf und Zingsheim. In: BJ 24, 1857, Seite 33
- BJ 149, 1949, Seite 354
- Habery: Floisdorf. In: BJ 150, 1950 Seite 157
- P. Tutlies: Fränkische Zeit, Mechernich, Kreis Euskirchen. In: BJ 192, 1992, Seite 403
- Alfred Wolter: Römerstraßen im Kreis Euskirchen.
In: Kreis Euskirchen Jahrbuch 1975, Seite 42