Juffern in der Sagenwelt

Foto: A. Knur
Foto: A. Knur

von Sophie Lange

Auszug aus dem Buch "Wo Göttinnen das Land beschützten"

Die Matronen, die gallo - romanischen Göttinnen, lebten nach Ende ihrer Verehrung als Juffern in der Sagenwelt weiter und erschienen immer wieder in der realen Welt. Es muss allerdings von der Vergangenheit geschrieben werden, denn in neuerer Zeit haben die Juffern wenig Verlangen gezeigt, als Lichtgestalten zu erscheinen, oder aber die Menschen haben die Wahrnehmungsfähigkeit so zarter Wesen verloren.

Das Wort Juffer wird heute abfällig gebraucht. Eine Juffer ist laut Volksmeinung eine sitzengebliebene Jungfrau, die verhärmt, verknöchert und sonderlich ist. Das Rheinische Wörterbuch deklariert en ahl Juffer als alte, untaugliche, mit Unarten versehene Jungfrau. In den Sagen ist das jedoch ganz anders, dort sind die Juffern selbstbewusste, majestätische, alterslose Damen, vor denen sich die Bäume verneigen. Stets sind es Jungfrauen; von Frausein und Mütterlichkeit ist nicht die Rede. Die auf Ehe hindeutenden Matronenhauben kommen in den Sagen nicht vor. Kopfbedeckungen sind selten: einmal ein spitzes Hütchen, ein anderes Mal eine Myrtenkrone und einige Male ein Schleier. Die Betonung der Jungfräulichkeit kann ein Hinweis auf die Dominanz der mittleren, jungfräulichen Göttin der Matronentriade sein. Es kann aber auch die christliche Hervorhebung der Jungfräulichkeit in den Sagenbereich hineingespielt haben.

Besonders viele Juffernsagen sind aus dem Eschweiler, Jülicher und Dürener Raum bekannt, denn dort hat Heinrich Hoffmann um 1900 eifrigst Sagen gesammelt und veröffentlicht. (1)
Sicherlich sind in dem Gebiet zwischen Eifel und Rhein ebenfalls viele Juffernsagen erzählt worden, die jedoch nur vereinzelt aufgeschrieben wurden und zum größten Teil vergessen sind. Franz Peter Kürten schrieb, dass es "Tausende der geisternden Juffern und Frauen im Rheinland gibt." (2)

Auffällig ist, dass die Juffernsagen oftmals dort erzählt wurden, wo - später - Matronensteine gefunden wurden. Nur einige Juffern haben sich in andere Gebiete verirrt. So geistern diese feenhaften Wesen zum Beispiel in der Kindshardt, einem Waldgebiet bei Kall/Eifel, obwohl es in diesem Gebiet keine Hinweise auf Matronenverehrung gibt, d. h. man ist bisher dort nicht auf Weihesteine gestoßen.

In den Erzählungen haben sich viele gleiche Elemente erhalten, so dass davon ausgegangen werden kann, dass die Sagen ein altes Wissen bewahrt haben und sich nur selten an aufgefundenen Matronensteinen orientiert haben. Die Juffer erscheint entweder in der Dreierform oder allein; ihr Grundwesen ist gütig. Segnend schreiten Juffern durch ihr Schutzgebiet, das - wie bei den Matronen - auf einen bestimmten Bezirk beschränkt ist.

Die drei "Juffern"
Die drei "Juffern" Die kleine Sophie (li) mit ihren Schwestern Annemie und Marlies

Juffern als vornehme Damen

Durch hübsches Aussehen, hoheitsvollen Gang und vornehme Kleidung differenzieren sich die Juffern gravierend von den hässlichen, alten Hexen der Märchenwelt. Menschen, die von einer Erscheinung der Juffern erzählt haben, ist deren Kleidung aufgefallen, die an die Ubiertracht der Matronen erinnert. Ein Berichterstatter beschrieb eine Juffer folgendermaßen: "Sie war ausnehmend schön von Angesicht und in blendend weiße Gewänder gekleidet." Die Helligkeit und die weiße Kleidung der Wesen aus der Anderswelt ließen allgemein von wisse Juffern sprechen. Die Gewänder waren lang und rauschten beim Gehen wie Seide, was den Juffern zusätzlich den Namen ruschige Juffern einbrachte. Dieses Rauschen kündete die Juffern an, wobei sie nicht unbedingt sichtbar wurden. Eine feenhafte Juffer war bemüht, dass ihre kostbaren Gewänder nicht den Boden streiften: "Wie die Damen zu Großmutterzeiten beim Tanze die Kleider rafften, so hielt auch sie mit den Händen das rauschende Seidenkleid an beiden Seiten fest und hob es etwas in die Höhe."

Bewunderung wurde einer vornehmen Dame in einer Sage aus Köln gezollt: "Die schlimmsten Spukgeschichten fanden auf der Hochstraße nahe am Severinstor statt. Dort begegnete dem nächtlichen Wanderer eine wunderschöne, fast übergroß gewachsene Frauengestalt. Reich gelockt fiel ihr das Haar, von Perlen und Edelsteinen durchwunden, in den stolzen Nacken, kostbar und prächtig waren ihre Gewänder." (3)

Aber nicht nur ganz in weiß, sondern auch in schwarz kleideten sich die Juffern: "Die Juffer von Jüngersdorf trug ein schwarzes Gewand wie in Trauer, und ihr Angesicht verhüllte ein lang herabwallender, schwarzer Schleier." Eine andere Juffer ging halb weiß und halb schwarz um; wieder eine andere war schwarz gekleidet und weiß verschleiert, eine andere weiß gekleidet und schwarz verschleiert. Hier kann sich die Entthronung der Göttinnen widerspiegeln.

Juffern als Todesboten

Die Juffern kündeten wiederholt den Tod an. Sie waren stumme Wesen, tauchten ohne ein Wort zu sprechen aus der unsichtbaren in die sichtbare Welt auf und verschwanden genauso stumm wieder ins Reich der Geister. Immer wieder wird in den Sagen davor gewarnt, die Jungfrauen anzusprechen, da dies den Tod zur Folge habe. Ein Zusammenhang zur früheren Göttlichkeit dieser Wesen wird dadurch erkennbar: "Dass das Ansprechen göttlicher Wesen, das So-wie-Gott-sein-wollen, den Tod oder eine andere Form der Wandlung nach sich zieht, wurzelt in Urzeiten." (4)
In der Kölner Sage wird der todbringende Aspekt genau beschrieben: "Wehe dem, der sie anredete; zu ihm wendete sie sich, schloss ihn, ohne ein Wort zu sprechen an ihre Brust und verschwand. Wen sie also umarmt, den traf der Tod nach einigen Tagen. Blieb aber vorsichtig stumm, dem sie sich als Begleitung zugesellte, dann seufzte sie tief auf, setzte ihr Tischlein (Opfertisch?) an der Ecke des Büchels zur Erde, klatschte in die Hände und war verschwunden."

In den Sagen wird stets betont, dass "de Lück bang vüe se wore" (Angst hatten), obwohl die Juffern niemandem etwas zu Leide taten, wenn man sie respektierte und in Ruhe ließ. Von einer Juffer in der Kuhgasse in Eschweiler heißt es, dass man ihr nicht zu nahe kommen durfte, "denn die Juffer war gefährlich." Worin diese Gefährlichkeit lag, wird nicht erklärt.

Auch in der Eifel traute man den Juffern nicht über den Weg: "Wer nächtlicherweile an der versunkenen Ritterburg (Stolzenburg bei Kall-Urft) und der Teufelsader (Römerkanal) vorbei seines Weges gehen muss, der lasse sich nicht von Grauen übermannen und nicht zu beschleunigtem Schritt verleiten; denn unten am Bach sitzen im Dunkel der Nacht die drei Jungfern in weißen Gewändern und spiegeln sich in den leise rinnenden Fluten des Urftbaches, und diese durch hastigen, lauten Schritt zu verscheuchen wäre Frevel, der schwer zu büßen ist." 5 Die Art der Buße hat ein "alter Gewährsmann" vor Jahren so formuliert: "Es war um den geschehen, den sie erblickten."

Juffern als Schutzmatronen

Durch die Furcht der Menschen wird die Segenskraft der Juffern nicht geschmälert. Der schützende Charakter der Matronen spiegelt sich unverkennbar in den Juffernsagen wider, denn auch die Juffern beschützen die Früchte der Erde. Besonders auf das Obst, das auch der Obhut der Matronen anvertraut war, gaben sie Acht. Unentwegt gingen die Juffern "rund" und passten auf, dass kein Obst gestohlen wurde. In einer Sage von der Heimbacher Burg wird eine solche Bewachung geschildert: "Wenn Obstdiebe die Bäume erkletterten, erschienen die Juffern, rüttelten heftig an den Bäumen und verscheuchten die Eindringlinge. Sie verfolgten sie bis zur äußeren Ringmauer, klatschten in die Hände und stießen laute Jauchzer aus."

Von der Vorstellung der Germanen und Kelten, dass Gottheiten in heiligen Bäumen leben, erzählt eine bemerkenswerte Juffernsage aus dem Eschweiler Raum: "In der Azenau bei Gressenich stand früher ein großer, alter Baum. Um Mitternacht kam aus diesem Baum eine weiße Juffer hervor. Sie ging über den Bach an der Gressenicher Mühle vorbei und kehrte dann wieder in den Baum zurück. Wer dieser Juffer auf ihrer Wanderung begegnete, musste in demselben Jahr sterben." In Türnich bei Kerpen wohnte ein Juffer in einer Buche, der man den Namen Juffernbuche gab.

Baum in der Eifel

Die Juffer erschien meist um Mitternacht, "öm 12 Uhr jenau", manchmal auch beim Beginn der Dunkelheit, gelegentlich auch zur Mittagszeit. Sie war sowohl Nacht- als Tagesgespenst, Mitternachtsfrau und Mittagsmuhme, sie liebte die Sonne und den Mond. Für ihre Naturfeste bevorzugte sie spezielle Tage. Am Feyentag hielt die Juffer Fey in ihrem Wohnsitz nahe der Feybachquelle bei Weyer in der Eifel ein großes Hoffest: "Trotzig und breit starren die Mauern ihrer Burg zur Höhe, Buchen wachsen schlank wie Pfeiler empor und wölben ein Laubdach über Kalksteinriesen und Moosteppich. Wie durch hohe Fenster hindurch dringt der sonnenleuchtende Strahl in geheimnisvolle Nischen. Da ist ein Weben und Blühen, ein Singen und Klingen. Da ist’s geheimnisvoll schön. Aber ein Wort steht am Schlosseingang, besonders sichtbar in den Tagen der Sonnenwende: Opgepaass on net gelaach, höck ös aller Feyen Dag (Aufgepasst und nicht gelacht, heute ist der Tag aller Feen)." (6)

Laut anderer Überlieferung wurde der Feyentag nicht zu den Sonnenwenden gefeiert, sondern lag in der Herbstzeit, "wenn die ersten Blätter von den Bäumen fallen."

Juffern und ihre Spukplätze

Die Juffern erschienen stets an bestimmten Plätzen. Die Juffer Fey hatte bei Satzvey einen Zweitwohnsitz: "Zwischen Satzvey und Veynau ist in dem Wiesental eine sumpfige, mit Bäumen und Gesträuch, Binsen und Schilf bewachsene Stelle, welche die Jufferfey genannt wird." Die Nörvenicher Juffern hausten "e paar Wörp von de Jöhscheme Berg af, wo et em aale Weihe heesch" (ein paar Wurf vom Jöschemer Berg entfernt, wo es im alten Weiher heißt). In einem Wagen mit feurigen Rädern fuhr eine weiße Frau durch die Wahner Heide. Dort sollen sich in einem ausgehöhlten Riesenstein, dem Hollstein, die Menschen, "die nicht den Weg zum Christentum mitgingen", versteckt haben und durch einen unterirdischen Gang zum heiligen Berg Lüderich gegangen sein.

In Nettersheim saßen die Juffern in mondhellen Nächten an den Stellen, wo jeweils der Schleifbach und der Wellerbach in die Urft fließen, also unterhalb des Matronentempels. Auch an anderen Orten spukten die Juffern an Bächen und Flüssen, den Begleitern der Matronenverehrung.

Manche Juffern hatten sich in alten Burggemäuern niedergelassen (Eschweiler, Heimbach, Juntersdorf u.a.). und werden daher mit verstorbenen Burgjungfrauen gleichgesetzt. Ihr Aussehen, ihre Erscheinungsform und ihr Wesen entsprechen aber eindeutig den Juffernmerkmalen. Ob auch die "schatzhütenden Juffern", die "Heimatrecht im Siebengebirge" haben, mit den Matronen verwandt sind? Sie erschienen auf dem "Heidchen" zwischen Drachenfels und Wolkenburg, auf der Löwenburg und auf der Rosenau.

Auch die Wanderrouten der Juffern sind festgelegt. In Derichsweiler im Kreis Düren gab es einen besonderen Weg für die Juffern, et Jufferpättche (Jungfernpfad): "Do soll ne Jötzentempel jestange hann. Dat es jet us dr all Zeck. Dat wued ad emme vürann verzellt" (Da soll ein Götzentempel gestanden haben. Das ist etwas aus der alten Zeit. Das wurde immer weiter erzählt.) Gerne wandelten die Juffern auf den alten Römerstraßen oder an Kreuzwegen, so zum Beispiel in Gürzenich, wo eine von Düren kommende Straße durch einen Feldweg gekreuzt wurde.

Tanzende Juffern geben Hinweise auf fröhliche Fruchtbarkeits- und mythische Mondtänze. Die Jufferntanzplätze sind nicht mit den Hexentanzplätzen identisch, denn nicht im dunklen Wald, sondern auf Wiesen und Feldern hielten die Juffern im Mai und zur Mitsommerzeit ihre Tanzfeste ab. Auch wenn die Juffern "wie ein Sturmwind vorbeisausen", ist eine Verbindung zum Tanz erkennbar. Beim Tanzen offenbart sich das heitere Wesen der Juffern, das in den häufigen Jauchzern fröhliche Urständ feierte. Obwohl die Juffern in der Regel sehr geräuschempfindlich waren, machte ihnen das Händeklatschen, mit dem sie sich jauchzend aus der Menschenwelt verabschiedeten, anscheinend riesigen Spaß.

Fast ausgelassen erscheinen die Juffern in einer Erzählung von Merzenich bei Düren. Dort sah ein Bauer drei tanzende Juffern, als er auf dem Feld mittags seine mitgebrachten Brotschnitten verzehrte: "Während des Essens hörte er auf einmal ein Lachen und Jauchzen. Neugierig erhob er sich: da erblickte er drei Juffern, die sich an den Händen gefasst hielten und in seinem Hafer im Kreise umhertanzten. Entrüstet rief er ihnen zu: "Jot do wäg! Wat hat ihe en mengem Haver zu donn?" ("Geht weg da! Was habt ihr in meinem Hafer zu tun?") Die drei Jungfrauen hielten zwar einen Augenblick in ihrem fröhlichen Tun ein, setzten aber dann den Tanz unter lautem Jubel noch eine Weile fort, doch als er auf sie zukam, waren sie plötzlich verschwunden. Wie er sich nun den Schaden besehen wollte, fand er, dass kein Halm geknickt war, auch ihre Füße hatten keine Spur zurückgelassen. Da wurde ihm ganz ängstlich zumute, und in Zukunft blieb er nie mehr über Mittag auf dem Felde."

Die Juffern zog es gerne zu vorchristlichen Kultplätzen und zu alten Kirchen. Zwischen Engelgau und Nettersheim steht auf römischen Fundamenten eine uralte Kapelle, die Ahekapelle. Auch hierhin zog es die Juffern. Wenn sie sich der Kapelle näherten und diese erblickten, begannen durch die Macht der Juffern die dortigen Glocken von selbst zu läuten. In den alten Kirchen von Thum und Brenig erklangen von selbst Glocken, als sich die drei heiligen Jungfrauen Fides, Spes und Caritas den Orten näherten.

In Bonn haben die Glocken des Münsters die alten Götter, und damit die dortigen Matronen, vertrieben: "Das Bonner Münster ragt hoch über das Häusermeer der Stadt empor. In grauer Vorzeit stand hier ein Heidentempel, an dem an einem großen Opferstein die Ubier der Gegend ihren Göttern opferten. An diesem Altar mag mancher Kriegsgefangene und Sklave verblutet sein. Als die heilig Helena, die Mutter des Kaisers Konstantin, nach Bonn kam, sank der Tempel in Trümmer. Die fromme Kaiserin ließ auch die Eichen fällen, die das Heiligtum der Heiden umgaben. Hier erhob sich bald zu Ehren des heiligen Cassius ein neues Heiligtum, eine Kirche... Sooft ein Gewitter über das Bonner Land heraufzog, haben die Münsterglocken mit ehernem Mund die Leute drunten gewarnt, und jedes Mal vereinigte sich das Gebrüll des Donners mit ihrem metallenen Mahnruf. Besonders schauerlich ist’s am Münster, wenn um die Mitternachtsstunde ein Gewitter heraufzieht. Dann erheben sich beim ersten Donnerschlag von jener Stätte, wo einst ihr Tempel gestanden, die Geister der Götzendiener..." (7)

Quellenangaben


1 (Heinrich Hoffmann: Zur Volkskunde des Jülicher Landes. 1. Teil: Sagen aus dem Rurgebiet. Eschweiler 1911, 2. Teil: Sagen aus dem Indegebiet. Eschweiler 1914)

2 (Franz Peter Kürten: Volksleben und Lande am Rhein, Köln 1974, Band IV, Seite 125)

3 (A. Kurs: Sagen- und Legendenbuch, Köln 1881)

4 (Sophie Lange: Göttliche Matronen, heilende Marien und sagenhafte Juffern. In: Schriftenreihe des Eschweiler Geschichtsvereins, Eschweiler 12/1991, Seite 35)

5 (Dr. Franz Cramer: Römischer Matronenkultus im Spiegel der Volksüberlieferung. In: Eifelkalender 1936, Seite 29)

6 (H. Roggendorf. Mechernich: Altes und Neues zur Heimat- und Pfarrgeschichte, Köln 1929, Seite 123)

7 (Karl Guthausen: Sagen und Legenden aus Eifel und Ardennen, Band 2, Aachen 1994, Seite 170. Nach W. Ruland)

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