Der Eifelriese Kakus
Der Eifelriese Kakus, der Held Hermules und die schöne Fey
Eine Sage aus dem Feenland der Eifel
In: Bauernkalender 1937
Zwischen Venn und Rhein in der Nähe des Dorfes Eiserfey im Kreis Schleiden ragen gewaltige Felsmassen über das angrenzende Tal des Feybachs empor. Im Innern eines Berges aus lauter Felsgestein birgt der Fels zwei Höhlensäle mit urgewaltiger Wölbung aus Stein. In der größten Höhle lebte in alter Zeit ein weit und breit gefürchteter Hüne, der Riese Kakus. Alle, die durch das Tal zogen, mussten dem Riesen ihr Hab und Gut als Tribut entrichten. In der zweiten Höhle wohnte ein bärtiger Jäger mit seinem lieblichen Töchterlein Fey.
Als einst ein Hirtenknabe zwei Lämmlein durch das Tal trieb, wollte der Riese Kakus auch ihm die Lämmlein abnehmen, und alle Bitten des Hirtenknaben blieben vergeblich. Da trat Fey hinzu und flehte den Riesen an, die Lämmlein zurückzugeben. Kakus ließ sich erweichen und versprach, künftig keinem mehr sein Hab und Gut wegzunehmen.
Im Osten lebte damals die alte Göttin Jola, die einen Sohn gebar, den sie Hermules nannte und der bald zu einem kräftigen Riesen heranwuchs. Man pries ihn bald als den stärksten Helden, der in allen Kämpfen Sieger blieb und dessen Trachten immer mehr auf Abenteuer in der großen Welt hinausging. Er stand auch bei allen Frauen in Gunst, aber nirgendwo fand er die Rechte, obschon er die ganze Erde durchzog, um die Schönste zu suchen, die ihm gefiel. Nach langen Wanderungen zurückgekehrt, bat er seine Mutter Jola, sie möge die Sterne befragen, wo die Schönste auf Erden weile. Jola fand in der nächsten Mitternacht die Deutung im Spiegel der Sterne und sagte: "Dort drüben im Germanenland, wo fließt der Vater Rhein, man stets die schönsten Jungfrau'n fand". Hermules gürtete darauf sein Schwert und zog zum Rhein.
Als Hermules bis zum Bodensee gekommen war, frug er den Vater Rhein, wo die Schönste der Jungfrauen wohne. Vater Rhein erzählte ihm von der schönen Loreley am Rheine, doch schöner noch als diese sei die liebe Fey im Eifeler Walde. Aber alles Werben um sie würde umsonst sein, da ihr Vater sie nicht hergäbe und der Riese Kakus sich ihrer Entführung mit allen Mitteln entgegensetzen würde. Hierauf wurde das Begehren des Hermules nur noch stärker, und er drohte, den Hünen Kakus zu erschlagen, wenn er sich zur Wehr setzen würde.
Erschreckt über diese Drohung, bereute Vater Rhein seine Worte, und er sandte schnell eine Nixe den Rhein herunter, um die Bedrohten zu warnen. Drunten am Rheinufer traf die Nixe einen Hirten, dem sie Kunde gab von der drohenden Gefahr und ihn bat, zur Felshöhle zu eilen und Fey und Kakus zu warnen. Der Hirte, der derselbe war, dem Fey damals die beiden Lämmlein wiederschenkte, freute sich, seine Dankbarkeit erweisen zu können und überbrachte schnell die Nachricht zur Kakushöhle.
Kakus kannte keine Furcht, und er rüstete sich, Hermules zu empfangen. Mit Speer und Keule bewaffnet, hielt Kakus von früh bis spät auf der Felsenplatte Ausschau nach dem fremden Riesen. Endlich kam dieser daher und kaum waren die beiden Hünen ihrer ansichtig geworden, da prallten sie auch schon aufeinander. Stundenlang ging der Kampf mit Keule und Schwert hin und her. Sein Toben drang bis tief in die Höhle, wohin Fey in banger Erwartung und Sorge sich geflüchtet hatte.
In ihrer Verzweiflung stürzte sie schließlich aus der Höhle heraus und warf sich zwischen die beiden Kämpfer. In diesem Augenblick zückte Hermules von neuem sein Schwert, und der tödliche Stahl traf gleichzeitig Kakus und Fey, die beide sterbend zusammenbrachen. Hermules verließ mit schweren Wunden bedeckt die Blutstätte, um seiner Heimat wieder zuzustreben. Doch eine Weile rückwärts in der Richtung zum Rhein starb er an starker Verblutung auf dem heutigen Hermesstein. Heute erinnert an ihn noch der Flurname "Hermesberg" im Dorf Weyer, in dessen Gemarkung die Kakushöhle liegt; im nahen Harzheim findet sich ebenfalls der Flurname "Hermesberg" und in Weiler der "Hermesstein".
Dort, wo Kakus und Fey ins Grab gesunken, ist der klare Feybach entsprungen, dessen Wasser zum Rhein rollen. Der Name der Fey blieb allezeit geehrt, und ein herzliches und liebliches Mädchen nannte man früher nach ihr stets nur Fei. Die schönste der Schönen aber hieß Fee, und man sagt, dass dort, wo die Fey gelebt, die Heimat der Feen gewesen ist.