Die Beinamen der Matronen

Görresburg Nettersheim
Görresburg Nettersheim

Die Urgötter konnten nicht nur vielerlei Gestalten annehmen, sondern ließen sich auch mit vielen Namen anrufen. Der Name der Gottheit war von größter Kraft und Wirksamkeit. Vor ihm schauderten die bösen Mächte. Wer die Namen kannte, hatte Zugang zu den Göttern und konnte unmittelbaren Kontakt mit ihnen aufnehmen. Bei den Kelten wählten die Druiden sehr sorgfältig die Götternamen aus, die eine besondere Eigenschaft, Fähigkeit oder Macht des Gottes ausdrücken konnten. Oft wussten die Priester und Priesterinnen allein um die Bedeutung des Wortes. Bei den lokalen Gottheiten hatten Beinamen oftmals topischen Charakter, denn ohne Benennung ihres Kultgebietes wäre die Macht der Genien gebrochen gewesen.
Die Matronen führen auf den Weihesteinen einen Beinamen, zum Beispiel Matronis Aufaniabus, Matronis Rumanehis, Matronis Octocanabus. Während die Endungen lateinisch sind, kommen die Wortstämme aus dem Keltischen und dem Germanischen. Diese „gehören zu den ältesten authentischen Zeugnissen in einer germanischen (bzw. keltischen) Sprache.“21
Insgesamt sind aus dem Ubierland 82 verschiedene Matronenbeinamen bekannt, was wieder einmal bestätigt, dass das Land zwischen Eifel und Rhein der Schwerpunkt der Matronenverehrung war. Am häufigsten belegt ist der Beiname Vacallinehae mit 264 Fundstücken, hauptsächlich aus dem Matronentempel Nöthen-Pesch und von Einzelfunden aus Weyer, Iversheim, Satzvey, Lessenich und Rödingen-Ameln. An zweiter Stelle mit 170 Belegen steht der Name Austriahenae, der von vielen Bruchstücken aus einer Fundstelle bei Morken nachgewiesen werden kann. Je eine Kopie eines austriahenischen Steins steht im Kreishaus in Bergheim und im Schloss Paffendorf/Harff. Einmal taucht dieser Name auf einem Matronenstein in Bad Münstereifel auf. Eine Kopie dieses Inschriftensteins ist in der Krypta des Münsters ausgestellt.22
Die Aufanischen Matronen sind insgesamt 100-mal belegt. Die Hauptfundorte sind Bonn, Nettersheim, Zülpich und Köln. Einzelfunde sind bekannt aus Jülich, Xanten, Nijmwegen, Haus Bürgel bei Düsseldorf, Rheder, Mainz, Lyon in Südfrankreich sowie Carmona in Spanien.
Da es literarische Bezeugungen der Matronen und ihrer Beinamen nicht gibt, fungieren die Steininschriften als wichtige Originalurkunden. Übersetzung, Deutung sowie die Einordnung ins Keltische oder Germanische machen jedoch erhebliche Schwierigkeiten. Die Beinamen sind nicht nur schwer zu deuten, sondern zunächst einmal wegen des „barbarischen Klangs“ für uns – und sicher auch für die Römer - fremdartig und schwierig auszusprechen: Axsinginehae, Udravarinehae, Berhuiahenehae usw. Da ist es nicht verwunderlich, dass man glaubt, die Verehrer und Verehrerinnen der Matronen hätten absichtlich so zungenbrechende Worte zusammengebraut, damit nur sie selbst die Göttinnen anrufen konnten.
Die Kelten spielten gerne mit Worten, verdrehten Silben, tauschten Buchstaben aus, schrieben Worte von hinten nach vorne und kreierten Fantasienamen, deren Sinn in einem Un-sinn versteckt wurde. Neben diesem Spiel des Urkindes mit der Sprache können Namen absichtlich verschlüsselt und Verschlüsselungen nochmals verschlüsselt worden sein. Diesen Code zu knacken, dürfte für uns kaum möglich sein.
Einige Matronen-Beinamen hat man als Sinnnamen erkannt. So sind die Matronae Gabiae die Gebenden, die Alagabiae die Allesgebenden und die Afliae die Stärkenden oder aber die Starken. Der Matronenforschen Franz Cramer sah in allen Matronen-Beinamen einen griechischen Ursprung. Da er die Matronen für Seherinnen hielt, kam er zu Deutungen folgender Art. Ettrahenae = Segen kündend, Gavasiae = erdüberdrüssige Künderinnen, Vacallinehae = sanfte Klage kündend.
Inzwischen vermutet man hinter den meisten Matronen-Beinamen ehemalige Stammes-, Siedlungs-, Fluss- oder Bachnamen. Natürlich haben auch diese Namen einen Sinn, der uns jedoch ebenfalls verschlossen bleibt. Die Beinamen dieser Art kennzeichnen das Gebiet, das von den jeweiligen Matronen beschützt wurde. Nur dort hatten die Göttinnen ihre vollkommene Macht, obwohl sie auch anderswo verehrt wurden.
Auch im Christentum finden wir diese Gebundenheit an Örtlichkeiten. So ist zum Beispiel die Muttergottes von Lourdes oder von Kevelaer in ihrer Kultheimat besonders heilmächtig, obwohl sie auch anderenorts die Menschen beschützt. Durch Wallfahrten zu den heiligen Orten kann Heilung geschehen und Hilfe erhalten werden. Wie die Matronen so hat auch Maria viele Namen, wird sie doch „die mit den tausend Namen genannt“.

(Die Matronen-Beinamen, die das hier bearbeitete Gebiet betreffen, werden bei den jeweiligen Fundorten näher erklärt.)