Kleidung und Aussehen

Matronenstein aus Jülich
Matronenstein aus Jülich

Die Darstellungen der Matronen-Göttinnen sind relativ einheitlich und zeigen nur wenige Variationen. Stets tragen die drei auf einer gemeinsamen, mit einem Tuch überhangenen Bank sitzenden Göttinnen lange, stoff- und faltenreiche Gewänder, die der ubischen Festtagstracht entsprechen. Wie die Frauen im zweiten Jahrhundert gekleidet waren, so sahen die Menschen auch ihre Göttinnen.
Die Ubiertracht bestand aus einem Unterkleid (von dem auf den Denkmälern nur der Saum zu sehen ist), einem knöchellangen gegürteten Überwurf und einem tuchartigen Mantel, der mit einer oftmals großen Schließe gehalten wird. Da derartige Gewandfibeln aus Fundmaterial der entsprechenden Zeit unbekannt sind, müssen sie aus Holz oder ähnlichem vergänglichem Material beschaffen gewesen sein. Sandalen oder eine andere Fußbekleidung sind auf den Denkmälern nicht zu erkennen. Die Fußstellung bildet auf manchem Matronenstein eine Mondsichel.
Auf fast 95 Prozent der gefundenen Matronenbildnisse trägt jede der Frauengestalten einen Halsschmuck, entweder in Form eines Halsringes (Torques) oder einer Kette mit einem halbmondförmigem Anhänger (Lunula). Es ist bekannt, dass die Römerinnen gerne Schmuck anlegten, und auch den Germaninnen scheinen Halsreifen und Ketten gefallen zu haben. Schmuck hat jedoch auch Amulettcharakter. Der Torques war religiöses und weltliches Symbol der Macht, der Verehrung und des Schutzes, aber auch Ausdruck der Freiheit, des Freiseins. Einem Mondanhänger wurden magische Kräfte zugesprochen.
In ihrer Kleidung und ihrem Schmuck sind die drei Göttinnen gleich, sie unterscheiden sich aber wesentlich in der Kopfbekleidung. Die beiden äußeren Frauen tragen „voluminöse“ Hauben, die das auffallendste Element der ganzen Tracht sind. Folgende Überlegungen hat man sich über die Herstellung gemacht: „Wie wir aus dem Vergleich mit Volkstrachten entnehmen dürfen, war sie wohl aus Leinen geschnitten und gestärkt. Man kann sich vorstellen, dass ihre runde Form durch einen elastischen Zweig, etwa von einer Weide, gehalten wurde. Ihre Ränder scheinen für zwei Schnüre umgenäht worden zu sein, die die Haube auf Stirn und Hinterkopf festhielten. Damit man die vier Schnurenden an den Schläfen nicht verknoten und die Knoten beim Absetzen nicht wieder lösen musste, waren je zwei Enden von einer Schubhülse festgehalten. Diese ist auf mehreren Matronendenkmälern dargestellt.“5
Für die Ausstellung „Aufanis“ im Jahr 2001 im Propstei Museum in Zülpich schneiderten einige Frauen ein Matronengewand nach. Es zeigte sich, wie schwierig es war, eine große Haube herzustellen und noch schwieriger, diese zum Halten zu bringen.
Hauben waren einst Vorrecht und Pflicht der Frauen, sobald sie „unter die Haube“ gekommen waren, also Ehefrauen und Mütter (oder Nonnen) wurden, denn die wulstartigen Kopfbedeckungen sind auch Merkmal des „mütterlichen Wesens“. Die Verhüllung des Hauptes in der Öffentlichkeit ist vorwiegend in östlichen Ländern bis heute Vorschrift für verheiratete Frauen. Die Befreiung von der Behaubung wird als Freiwerden von männlicher Abhängigkeit angestrebt. Die Stattlichkeit und Pracht der Matronenhauben lassen allerdings wenig von Unterdrückung erkennen, sondern signalisieren eher Macht und Frauenkraft. Die Matronenhauben sind überdimensional, manchmal doppelt oder sogar dreimal so groß wie der Kopf der Göttin. So sieht man die Hauben als „eine Kulttracht von religiösem Ursprung“.6
Gerne werden die Matronenhauben als Symbol für den Mond oder die Sonne gedeutet und mit Umzügen an Mond- oder Sonnenfesten in Verbindung gebracht. Die Größe der Hauben können aber auch darauf hinweisen, dass in ihnen etwas Geheimnisvolles verborgen ist, ein geheimes Wissen, das geschützt werden muss. Die Kopfbedeckungen werden außerdem als Wetterhauben erklärt, die bei Vegetations-Beschwörungstänzen aufgesetzt wurden. Manche Betrachter assoziieren die Hauben mit der Aura, andere sehen in ihnen bereits Ansätze eines christlichen Heiligenscheins.
Marianne Pitzen, die im Frauenmuseum in Bonn ein Matronenparlament geschaffen hat, schreibt folgendes: „Die Matronen kommen herunter von ihren Weihesteinen und machen Tagespolitik. Das Parlament der parlierenden Damen hat durchaus seine Aura der Harmonie und Geschlossenheit. Ihre staats- tragenden Gedanken haben sie in ihren Hauben gut aufgehoben und untergebracht. Ihre überdimensionalen Hauben sind Speicher für altes Wissen und neue Verknüpfungen, jenseits der Zeit.“7
Die mittlere, deutlich jüngere Göttin weiß nichts von einem Haubenzwang. Sie trägt ihr schulterlanges Haar offen, lockig, losgelöst, aber wohlgeordnet. Das entblößte Haupt ist Kennzeichen der unverheirateten Frau, des Mädchen, der Jungfrau. Auf vielen Matronenweihesteinen ist bei der Mittelfigur ein Stirnschmuck zu erkennen, ebenfalls ein Zeichen der Jungfräulichkeit. Scheitelschmuckstücke, die in der Antike oftmals aus Gold, Edelsteinen und Perlen angefertigt wurden, hatten ebenfalls Schmuck- und Amulettcharakter. Sie schützten vor Zauber und vor dem bösen Blick.8 Für die Benennung der mittleren Figur als Jungfrau sprechen folgende Fakten: Die mittlere Göttin ist kleiner.Ihr jüngeres Alter ist mehr oder weniger deutlich ausgeprägt. Ihr Aussehen ist mädchenhafter. Die Göttin trägt offenes Haar. Sie trägt einen Stirnschmuck. Der Ehrenplatz in der Mitte weist sicher darauf hin, dass das Mädchen die wichtigste Person der Triade ist. Sie ist jedoch nicht diejenige, die schützt, sondern diejenige, die beschützt wird. Es gibt allerdings eine Ausnahme. Auf einem Matronenstein, gefunden in dem römischen Kastell Köngen bei Stuttgart, sitzt die alte Göttin in der Mitte, die zwei jüngeren stehen neben ihr. Ob es zwei Göttinnen oder zwei Priesterinnen sind, ist nicht eindeutig zu erkennen. Hier wird die ältere Göttin auf jeden Fall als die wichtigste dargestellt, sie hat den Ehrenplatz eingenommen. Die zwei jüngeren Frauen stehen ihr in ihrer Funktion zur Seite, unterstützen sie, helfen ihr, beschützen sie.
Die drei Matronen können eigentlich nicht als „Muttergottheiten“ bezeichnet werden, denn nur zwei haben mütterliche Merkmale. Das junge Mädchen ist zwar die „potentielle Mutter“, aber sie gehört noch nicht dazu, sie bekommt den Weg erst gewiesen.
Zur Deutung der Matronen interessiert natürlich deren Gesichtsausdruck. Doch dieser scheint auf dem ersten Blick im wahrsten Sinne des Wortes „steinern“ zu sein, für manche Betrachter ausdruckslos und nichtssagend. Archäologen (männliche) fällten in Ausgrabungsberichten folgende Urteile über das Aussehen der Matronen: wenig attraktiv, stämmig, robust, bäuerlich, vierschrötig, dickköpfig, kurzhalsig, matronenhaft. Man „schmeichelte“ den Göttinnen auch mit dem Satz: „Wie drei Marktweiber sitzen sie in ihrer Nische.“ Interessant ist, dass einige Männer negative Aspekte erblicken, obwohl gerade diese vollkommen bei den Matronen fehlen. So erklären sie, dass die Matronen auf sie bösartig und vor allem „bedrohlich“ wirken. Bedroht fühlen sie sich anscheinend von der Macht, der Einigkeit und der Solidarität, welche die drei göttlichen Frauen demonstrieren. Andere glauben, dass die Matronen zu Gericht sitzen. Über wen und was fällen sie ihr Urteil?
Frauen sehen die drei Göttinnen mit ganz anderen Augen: gütig, in sich selbst ruhend, selbstsicher, hoheits-, macht- und würdevoll. Sie sind sich sicher, dass die göttlichen Damen etwas hüten, vielleicht ein geheimes Wissen oder eine besondere Gabe. Die Gelassenheit und heilige Stille, die die Göttinnen ausstrahlen, beeindrucken. „Die aufanischen Göttinnen sind von einem seltsamen Schweigen umgeben“,9 schrieb die Geschichtsprofessorin Annette Kuhn.
Die Darstellung der Matronen sehen Frauen auch als Verlagerung der matriarchalen Werte in ein patriarchales römisches System: „Die Macht der Priesterinnen und Druiden wurde gebrochen, die Göttinnen ihrer ursprünglichen Funktionen entkleidet. Aus der dreifachen Göttin wurden drei steinerne Damen, die wie drei gemütliche Ehefrauen oder Klatschtanten aussehen – gebrauchsfertig für jede Bitte und Verwendung.“10
Als Eltern ihren Kindern die steinernen Figuren einmal als „Tanten“ erklärten, ließen die Kleinen diesen Begriff nicht gelten und erklärten, die Gestalten würden wie „Damen“ oder Königinnen aussehen. Mich persönlich überrasche es, dass einige Frauen –unabhängig voneinander- behaupteten, dass die „Ladies“ verschmitzt lächeln. Es kommt eben auf den Blickwinkel im wörtlichen und übertragenen Sinn an, aus dem die Göttinnen betrachtet werden.