Mein Wunschtraum

Ich möchte so gerne ein Einsiedler sein,
im Wald in einer Hütte winzig klein.
Ich träum´unter Sternen, auf Moos gestreckt,
mit duftemden Heu warm zugedeckt.
Ich spür´, wie erwachend die Erde singt,
wie das Licht durch Nacht und Nebel dringt,
wie es sich zitternd um mich regt,
wie alles Leben sich zaghaft bewegt.
Die Vögel preisen jauchzend das Weltenall,
die Sonne wird zum Feuerball.
Ich lausche der Stille, so ganz allein:
Ich möchte so gerne ein Einsiedler sein.

Doch bald ist es sicher mit der Ruhe vorbei,
ein Wanderer findet mich in der Einsiedelei.
Er starrt mich an und läuft davon,
und bald schon weiß es die ganze Region.
"Im Wald? Ein Mensch? So ganz allein?
Das kann doch nur ein Verrückter sein?"
Und Menschenmassen strömen zu mir,
betrachten mich wie ein seltenes Tier.
Ein Arzt kommt daher mit freundlichem Gruß,
untersucht mich gründlich von Kopf bis Fuß.
Resigniert zeige ich meinen Krankenschein:
Ich möchte doch nur ein Einsiedler sein.

Und dann eine neue These entsteht
von diesem Eremiten, den keiner versteht.
"Wer sich im Wald so tief versteckt,
der hat bestimmt was ausgeheckt!"
Und bald schon findet die Polizei zu mir,
durchkämmt und prüft mein ganzes Revier.
Sie werden meine Papiere studieren,
mein Heu durchwühlen auf allen Vieren.
Doch bald sind sie weg mit lautem Knall:
"Der seltsame Typ ist nicht unser Fall."
Erschöpft sinke ich ins Heu hinein:
Ich möchte doch nur ein Einsiedler sein.

Sogar der Bürgermeister findet zu mir.
Er bringt mir Brot und Wurst und Bier.
"In unserem Walde ein Eremit,
das behebt ganz sicher das Defizit!
Sie sind unsere Rettung, sie sind unser Mann,
o, bleiben Sie hier, ich flehe Sie an!
Ich schicke Ihnen täglich Brötchen vorbei,
die Tageszeitung und ein Frühstücksei!"
Und wenn ich ein bisschen nicke bloß,
dann geht der Rummel erst richtig los.
Und bald sehe ich wehmütig ein:
Heute kann man kein Einsiedler mehr sein!

(Monschauer Land Jahrbuch 1987)